Der Gipfel nach dem Gipfel: Wer soll mit Tsipras reden?

Kleine Euro-Staaten schäumten, weil Griechenland informell unter Merkel, Hollande & Co. besprochen wurde. Doch gegen einen offiziellen Euro-Gipfel wehrten sich die Großen.
Philipp Hacker-Walton

Philipp Hacker-Walton

Es war an der Zeit, dass die "Chefs" mit Tsipras reden

von Philipp Hacker-Walton

über die Griechenland-Krise

Zwei Dinge kommen bei den Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel nur ganz, ganz selten vor: Dass der erste von zwei Gipfeltagen vor Mitternacht beendet ist. Und dass Belgiens Wortmeldungen viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Beides ist beim aktuellen Gipfel geschehen. Der Hintergrund: Griechenland.

Premierminister Alexis Tsipras versucht seit Wochen, die Schuldengespräche weg von der technischen Ebene der Experten zu bekommen, weg von den Finanzministern, wo die Vertreter der anderen Euro-Staaten immer Zahlen und Papiere sehen wollen - und hin zu einer grundsätzlicheren politischen Debatte, wie es mit seinem Land weitergehen soll.

Tsipras erhofft sich davon offenbar ein für die Griechen günstigeres Ergebnis: Unter den Chefs wird oft weniger über Details und konkrete Zahlen geredet, dafür ist man eher bereit, "kreative" Lösungen zu finden, sprich: Die geltenden Regeln und Verträge so lange hin und her zu biegen, bis man den gewünschten politischen Kompromiss auch am Papier möglich gemacht hat.

In dieser Mission war Tsipras eine Woche vor dem Gipfel in Brüssel bei Parlamentspräsident Martin Schulz und Kommissionschef Jean-Claude Juncker; und deswegen hat er auch darauf gedrängt, dass Griechenland Thema beim großen Gipfel wird. Weil ein Eurozonen-Problem aber innerhalb der Eurozone geklärt werden muss, ist die 28er-Runde beim Gipfel das falsche Format. Also wurde ein informeller kleiner Gipfel an den offiziellen großen drangehängt: Nach Ende des ersten Gipfeltages trafen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Francois Hollande, Tusk, Juncker, EZB-Chef Mario Draghi und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem mit Tsipras zusammen.

Und hier kommt einerseits das frühe Gipfel-Ende ins Spiel (damit die Griechen-Runde nicht erst mitten in der Nacht starten musste), und andererseits der belgische Regierungschef Charles Michel. Der war nämlich "richtig sauer", dass die Griechenland-Frage in kleiner Runde diskutiert werden sollte: "Belgien hat weder Frankreich noch Deutschland ein Mandat gegeben, im Namen der Eurozone mit Griechenland zu sprechen", grummelte Michel. Andere Staaten, etwa die Niederlande oder Luxemburg, sollen von der Mini-Besetzung ebenfalls wenig angetan gewesen sein.

Für Gipfelchef Tusk ein Dilemma: Die Kleinen wollen nicht, dass in kleiner Runde geredet wird - weil sie nicht dabei sind. Die Großen (vor allem Deutschland) wollen aber nicht, dass in großer Runde geredet wird, weil ein eigener Gipfel der Euro-Staaten automatisch große Erwartungen wecken würde, was eine rasche Lösung mit den Griechen anbelangt.

Von der war man aber bei diesem Gipfel weit entfernt: Nach wie vor gibt es keine aktuellen Zahlen aus Athen, die Vertreter der Geldgeber waren erst am Tag vor dem Gipfel wieder "aus Athen hinausgeworfen" worden, wie Diplomaten bestätigten. Und überhaupt, das wurden die Vertreter der Eurozone nicht müde zu betonen, gibt es ja eine Einigung darüber, wie es weitergeht. Die Umsetzung holpert zwar, aber man hat sich ja erst am 20. Februar darauf geeinigt, das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland um vier Monate bis Ende Juni zu verlängern. Was die Griechen tun müssen, und welches Geld sie im Gegenzug bekommen sollen - das ist alles recht klar geregelt.

Nüchtern betrachtet war der "Gipfel im Gipfel" denn auch das richtige Format für die aktuelle Lage: Ein neuen Beschluss, ob über ein neues Hilfsprogramm oder Änderungen im alten, ist derzeit kaum denkbar. Und Tsipras klar zu machen, dass sein Land bald alle zur Verfügung stehende Zeit und Geduld aufgebraucht hat - das geht wohl in kleiner Runde mit den "Chefs" am besten.

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