Ja, der Besuch war möglicherweise naiv, er resultierte wohl aus dem zutiefst österreichischen gemischten Satz aus überhöhtem Selbstbewusstsein und Unterwürfigkeit. Und dass das diplomatische Proseminar Putin wenig jucken würde, war auch klar. Aber was wäre die Alternative gewesen? Zu schweigen und beim Morden und bei der Zerstörung zuzuschauen?
Miteinander zu reden (oder zumindest den Versuch zu unternehmen) ist vor allem in Konfliktsituationen immer die bessere Lösung. Wer schweigt, stimmt zu. Wer den Mund aufmacht, riskiert Gegenreaktionen – bis zu einer kultivierten Debatte ist es freilich ein weiter Weg. Vor allem, wenn Kriegslogik jede Vernunft unterdrückt. Wer jedoch aufhört, den Dialog zu suchen, hat schon verloren.
Das gilt nicht nur für die Ausnahmesituation eines Krieges, für die gefährlichste Lage, in der sich die Weltgemeinschaft seit Jahrzehnten befindet, sondern auch für die gesellschaftspolitische Kluft, die sich durch die Coronakrise aufgetan hat. Wie sehr diese das demokratische System geschädigt hat, sah man zuletzt in Deutschland, wo Reichsbürger und radikale Corona-Leugner Chaos stiften, die Macht übernehmen und den Gesundheitsminister entführen wollten. Wir leben wirklich in einer völlig verrückten Welt. Gegen diese Krankheiten ist Covid fast harmlos.
Allerdings: Wenn der Druck so heftig aufgebaut wird, wie über die vergangenen zwei Jahre (und durch Polit-Zündler schon viel, viel länger), ist es logisch, dass er sich Ventile sucht, wo er entweichen kann. Aber wie kommt man aus dieser Spirale der ständigen Aggressionssteigerung, des Gegeneinanders statt Miteinanders heraus? Nur durch ein aufeinander Zugehen, nur durch miteinander Reden. Und durch gut Zuhören.
Es wird sehr lange dauern, bis die Wunden verheilt sind, das ist auch eine Form von Long-Covid und Long-Populismus. Doch vielleicht ist Ostern die richtige Zeit, um damit zumindest zu beginnen. Auch naiv, aber alternativlos.
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