Wiener Rapper Pireli: "RAF Camora ist Bosniens bester Botschafter"
"Ich habe mich schon immer vor die Kamera gedrängt", sagt Damir Delić und rückt sich die Sonnenbrille zurecht. Schauspieler ist Pireli („Niemand weiß, dass ich Damir heiße, selbst meine Mutter nennt mich Pireli“) keiner geworden. Die große Bühne hat der gebürtige Bosnier allerdings erklommen - als Musiker. 2001 trat er der Wiener Gruppe Balkan Express, die ein gewisser RAF Camora mitgegründet hatte. Heute sind die beiden dicke Freunde und touren durch ganz Europa.
Sich selbst bezeichnet der Mann, dem ein Granateneinschlag in seiner Heimatstadt Tuzla ein kaum merkbares Stottern fürs Leben beschert hat, als Entertainer: „Ich unterhalte die Leute gern, ob mit Musik, Witzen oder Instagram. Das bin ich“. Im Gespräch mit dem KURIER spricht er über seine Rudolfsheimer Crew und Freund und Superstar RAF Camora.
Sie sind neuerdings in der McDonald’s-Werbung zu sehen. Was ist das für ein Gefühl, sein eigenes Gesicht auf den Untersetzern mit Ketchup beschmieren zu dürfen?
Pireli: Geil. Großartig. Ich habe mir diese Untersetzer und die ganzen Plakate zu Hause eingerahmt. In 20 Jahren kann ich sie meinen Kindern zeigen und sagen: „Schau, dein Papa war Werbeträger bei McDonald's“ (lacht) Ich bin sehr, sehr dankbar dafür. Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt ... McDonald's ist einfach eine Institution. Meine Mama hat gesagt: "Welche Werbung willst du jetzt noch machen? Besser kann es nicht werden!"
Wie kam es dazu?
RAF hat mich und die Jungs angerufen und gefragt, ob wir nicht dabei sein wollen. Die Leute von McDonald's haben dann gefragt, ob ich eine Sprechrolle haben will. Sie würden meinen bosnisch-deutschen Akzent lieben, sie hielten ihn für einzigartig. Ich habe das Angebot natürlich angenommen, denn es war schon immer mein Traum, in einer Werbung zu spielen.
Ist die Musik auch ein Jugendtraum gewesen?
Als ich noch in Jugoslawien gelebt habe, nahm ich mit sieben Jahren an einem Kiddy Contest teil und belegte Platz zwei. Meinen ersten Song schrieb ich dann auf der Flucht aus Bosnien. Als ich nach Österreich kam, schrieb ich einen Song über Ausländerfeindlichkeit, mit dem ich im ORF-Kinderprogramm Confetti TiVi auftrat. So richtig ernst wurde es 2000 als mich der bosnische Rapper Mayer mit ins Studio nahm, wo RAF, Emirez und Joshi Mizu saßen. So fing die Geschichte an. Die Musik war einfach unser Magnet.
Zu ihrem ersten Auftritt vor riesigem Publikum kam es eher unverhofft …
Raf sollte am Rathausplatz einen Auftritt haben - und in letzter Sekunde fiel einer unserer Freunde aus. „Scheiße, jemand muss ihn vertreten auf der Bühne“, sagte RAF. Die Wahl fiel auf mich. Ich übernahm seinen Part, ohne davor ein Wort davon gekannt zu haben. Jetzt stell dir vor, du stehst da vor 30.000 Menschen, die ORF-Krankamera fährt dir ins Gesicht - und du kennst deinen Text nicht.
Wie haben Sie es gelöst?
Ich habe einfach mit der kompletten Hand den Mund gedeckt. Und gerockt! (lacht)
Wie war das für Sie, vor so vielen Leuten aufzutreten?
Geil! Tampons, BHs flogen auf die Bühne. Ich wollte schon immer im Rampenlicht stehen. Schon als Kind habe ich mich vor die Kamera gedrängt und gesagt: „Ich habe auch das Recht, aufgenommen zu werden“. Auch in der Schule war ich der Klassenclown, wollte unterhalten.
Inzwischen begleiten Sie RAF Camora auf seinen Tourneen. Er ist der große Star, auch in eurer Crew? Wie ist da die Hierarchie?
Der Kern der Crew ist gleichgeblieben. Es gab Zeiten, da war ich die Nummer eins bei MTV. Und dann kam diese Zeit, wo RAF einfach ganz Europa übernommen hat. Wir sind aber trotzdem gleiche Freunde geblieben. Wir reden miteinander auf einer gleichen Ebene. Natürlich ist RAF der Hauptact, das ist seine Show, aber wir haben sich nie aus den Augen verloren.
Das heißt, der Ruhm hat ihn nicht abheben lassen?
Auf keinen Fall! Das ist so ein normaler Typ, er ist gleichgeblieben. Das merken die Fans auch. Deswegen ist er so lange oben, weil die Leute merken, wenn jemand falsch ist. Raf hält sich so lange oben, weil er korrekt ist.
RAF scheint eine Vorliebe für dein Heimatland zu haben. Bei den Konzerten werden nicht selten bosnische Fahnen geschwenkt …
Er ist halt mit Bosniern aufgewachsen. Er hat unsere Mentalität und Kultur übernommen und liebt unsere Musik. Nicht viele Leute wissen, dass RAF Songs vom bosnischen Volksmusiker Enes Begović perfekt nachspielen kann. RAF spielt dir Jugo-Musik original nach. Die Fahnen nehmen wir aber nicht mit, sondern die Fans und werfen sie uns auf die Bühne zu.
Bosnien hat in ihm also einen Botschafter, von dem es vielleicht gar nicht weiß …
RAF hat für unser Land viel mehr gemacht als alle bosnischen Politiker. Die Politiker bei uns sind Kriminelle. RAF hat uns auf die Weltkarte gesetzt, als wäre er Bosnier. Viel mehr: Emir (Rapper Emirez, Anm.) und ich sagen immer, er ist ein größerer Bosnier als wir. Und er spricht Bosnisch besser als Italienisch (lacht).
Rudolfsheim-Fünfhaus war früher die Basis eurer Crew. Wie oft kommt ihr jetzt her?
Es ist immer noch unser Nest, zu dem wir gerne zurückkehren. Es hat sich aber viel getan, der 15. Bezirk ist wieder in. Leute mit viel Geld investieren hier und in ein paar Jahren wird er bestimmt nicht mehr dieser "Ausländerbezirk", sondern eher wie Neubau sein.
Apropos Nest: Ihr kommt ja alle aus der Hip-Hop-Ecke. Wie weit seid ihr davon abgedriftet?
Ich habe schon immer etwas Neues gesucht und viel experimentiert. Du musst mit der Zeit mitgehen. Ich wollte immer, dass wir in diesen ganz großen Clubs spielen, dass wir ganze Diskotheken fühlen. Mit düsteren Songs, in denen es nur darum geht, wie Scheiße alles ist, geht das nicht. Du musst einfach tanzbare Musik machen. RAF hat vorgemacht, wie es geht. Diesen Traum hatte ich auch, so entstand 2009 der Song "Diskothek", der zu einem MTV-Hit wurde. Das war auch etwas ganz anderes.
Wie nachhaltig ist die Musik, die Sie jetzt machen?
Ich glaube, dass Trap schon langsam ausstirbt. Der Trend geht in Richtung Ghetto-House. Ich habe jetzt eine neue Musikart erfunden. Von mir und Emirez kommt bald ein Song, von dem alle geflasht sein werden. Mehr werde ich aber nicht verraten ...
Was passiert, wenn er nicht gut ankommt?
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich wollte immer experimentieren. Wenn’s Scheiße geht, dann ist halt so. Ich werde Musik machen, so lange mein Herz schlägt. Ich glaube, wenn Emir, RAF und ich uns in 20 Jahren treffen, werden wir Musik machen. Vielleicht wird sie niemand hören, aber wir werden sie im Auto feiern. Musik ist einfach eine Droge, von der du niemals wegkommst.
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