Wie ich zum Weihnachtismus konvertierte

Mirad Odobasic
Unvergesslich war mein erstes Weihnachtsfest in Deutschland - auch, wenn meine Gastmutter Doro den Kirchenbesuch als Bedingung für das Auspacken der Geschenke ausrief.

Eines vorweg: Weihnachten ist inzwischen mein Lieblingsfest. Das will etwas heißen, wenn es aus dem Mund bzw. der Tastatur eines Typen wie ich es bin kommt, der nominell mit diesem christlichen Spektakel rein gar nichts zu tun hat. Okay, okay, meine Frau ist katholisch, ABER: Als Sohn eines Moslems und einer Serbisch-Orthodoxen, die obendrein atheistisch sind bzw. ihre Kinder im (zugegeben nicht straffen) Kommunismus-Style erzogen haben, erfuhr man damals, dass es weihnachtet, wenn Teta Jasna zu sich lud. Die Weihnachtskekse der Trauzeugin meiner Eltern waren einfach himmlisch. 

Unvergesslich war auch mein erstes Weihnachtsfest in Deutschland - auch, wenn meine Gastmutter Doro den Kirchenbesuch als Bedingung für das Auspacken der unter der glänzenden Tanne wartenden Geschenke ausrief. Nach der gefühlt fünfstündigen Messe in der Antoniuskirche in Gelsenkirchen Feldmark ging es heim, wo am Tisch etwas wartete, das ich zum ersten Mal in meinem Leben sah und für ein Wunder hielt - das Fondue. Wir aßen, tranken, plauderten und lachten und aßen wieder. Auch Werners Eltern waren da, Oma und Opa, und brachten Geschenke mit. Wir hatten viel Spaß, so viel, dass ich meine Eltern vergaß, die in der tausend Kilometer entfernten Heimat unter Kerzenlicht in ihren Sofas - er am Fenster, sie vis-à-vis - saßen und sich vom Weltempfänger die Stille in der Wohnung brechen ließen.

Ein Jahr später war das Sofa gegenüber dem meines Vaters leer. Die Mutter hatte inzwischen auch die Flucht vom Krieg in Bosnien und Herzegowina ergriffen. Sie, meine Schwester und ich saßen in unserer kleinen Wohnung in Gelsenkirchen und waren gerade dabei, eine neue Tradition zu beginnen. Das katholische Weihnachtsfest wurde nun auch in unserem Heim zelebriert. Die alte Tradition, sich zu Silvester zu beschenken, warfen wir über Bord. Warum? Es war einfacher so. Man musste dem Kind nicht erklären, warum es im Gegensatz zu allen anderen Klassenkameraden am 25. keine Geschenke bekam. Abgesehen davon lässt man sich von diesem festlichen Ambiente leicht anstecken. Vielleicht sollte Weihnachten ein fixes Element in den Überlegungen diverser Integrationsstrategien sein?

Ich wurde in meinem Leben unzählige Male - oft mit einem an Frechheit grenzenden Unverständnis - gefragt, welches religiöse Fest ich denn als “Mischling” (man nennt uns Kinder von Eltern mit verschiedenen Konfessionen am Balkan tatsächlich so) feiere. Die Antwort ist simpel: alle. Sowohl das katholische als auch das orthodoxe Weihnachten (am 7. Jänner), sowohl das katholische als auch das orthodoxe Ostern, die beiden großen islamischen Festtage (Opfer- und Zuckerfest). Hinzu kommen die nicht-religiösen Geschichten wie Silvester, 8. März (der internationale Frauentag ist ein großes Ding in Ex-Jugoslawien, doch dazu ein anderes Mal), 1. Mai. Nichts davon bereue ich. Oder doch - dass ich keine Juden in der Familie habe, um die Feier-Liste erweitern zu können.

 

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