"Im Endeffekt geht es bei allen religiösen Feiern um dasselbe"

"Im Endeffekt geht es bei allen religiösen Feiern um dasselbe"
Autor Jad Turjmann fand beim Weihnachtsfest mit seiner Nachbarin die Vertrautheit des Zuckerfests wieder.

Österreich ist ein katholisches Land. Weihnachten ist für die meisten Menschen nicht wegzudenken. Aber nicht für alle. Denn auch Moslems, Juden, Orthodoxe, Buddhistin und viele andere Menschen mit unterschiedlichen Konfessionen leben hierzulande. Mehr Platz hat sich gefragt, wie verbringen die Menschen eigentlich die Feiertage? Steht trotzdem ein geschmückter Baum in ihrem Wohnzimmer? Feiern sie bei Freunden mit? Oder was machen sie sonst zu Weihnachten?

Aus diesem Gedanken ist die Reihe „Weihnachten mal anders“ entstanden. Den Auftakt macht Jad Turjman. Er floh 2015 von Damaskus nach Österreich. Bei seiner Ankunft kannte er zwei deutsche Wörter. Heute schreibt er neben Büchern auch Kolumnen und tritt als Stand-up-Comedian auf und lebt in Salzburg. So empfindet er Weihnachten:

Das erste Zuckerfest, das ich in Österreich erlebte, war, erschütternd. Das Zuckerfest ist der wichtigste religiöse Feiertag für Muslime. Es ist das Fest des Fastenbrechens, dauert drei Tage und ist unmittelbar nach dem Fastenmonat Ramadan. Wir können es mit Weihnachten vergleichen. Ich wachte damals im Flüchtlingsheim in Radstadt auf und wurde von eisiger Leere erschlagen. Nichts fühlte sich wie zu Hause diesem Tag an. Die Stimmung, die Vorfreude auf gutes Essen und Geschenke, die lachenden Gesichter, die jubelnde Zurufe von den Moscheen. All das war weg.

Es war ganz gewöhnlicher Tag. Und ich habe mir ziemlich schnell diese Rituale und Feierlichkeiten abgewohnt. Ich faste zu Ramadan seit ich in Österreich bin, nicht mehr. Mir wurde jedoch in den letzten drei Jahren klar, wie wichtig solche Feiertagen für eine Gemeinschaft sind. Ich feiere mittlerweile Weihnachten und Silvester mit meinen autochthonen österreichischen Nachbarn in den vollen Zügen. Ich gewinne offen gesagt langsam das Empfinden der Stimmung des Zuckerfestes von Zuhause zurück. Dieser Feiertag ist mir sowieso vertraut, denn in Damaskus haben viele Muslime diesen Tag mitgefeiert. Jesus und die heilige Maria haben ganz besondere Stellung im Quran. Im Endeffekt geht es bei allen religiösen Feierlichkeiten im Grunde genommen, um dieselbe Dynamik: Dass Menschen Zusammenkommen und ihre Zuneigung mit Geschenken ausdrücken, ihre Kontroversen zur Seite legen und gemeinsam feiern. Der Scheich in der Moschee unserer Nachbarschaft betonte jedes Mal zu Beginn des Zuckerfestes, dass Gott unsere Gebete, Hingabe und Feiern nicht annehmen würde, wenn man im Herzen einen Groll gegen irgendjemanden hege.

Einen Groll auf mich hatte meine Nachbarin, Christine,  für einen Augenblick bei unserem ersten gemeinsamen Weihnachten. Ich stand vor dem Haus bei der dekorativen großen Kerze und wollte sie als nette Geste anzünden. Neben mir stand die Katze Schnür und schaute mich misstrauisch an. Mit meinem dürftigen Deutsch und vager Aussprache, verwechselte ich die Kerze mit der Katze und rief ganz laut durch das Haus: "Christine, darf ich die Katze anzünden?" Sie kam laufend mit blassem Gesicht auf mich zu. Bis Sie den Irrtum feststellte, stellte sie das ganze interkulturelle Zusammenleben infrage.

Frohe Weihnachten!

Kommentare