UNHCR-Chef Österreich: "Nur ein Bruchteil will nach Europa"

UNHCR-Chef Österreich: "Nur ein Bruchteil will nach Europa"
70 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention: Christoph Pinter über Abschiebungen nach Afghanistan und Klimakrise als Fluchtgrund.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges war man sich in Europa einig: Menschen auf der Flucht sollen von Staaten aufgenommen und nicht wieder in ein Land, in dem Gefahr droht, zurückgeschickt werden. Aus diesem Gedanken entstand die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Heute feiert sie ihren 70. Geburtstag. Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich, dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, sprach mit KURIER darüber, wieso sie auch heute relevanter ist, als je zuvor.

KURIER: Ist die Genfer Flüchtlingskonvention noch zeitgemäß?

Christoph Pinter: Das wird oft diskutiert. Aber sie zeigt heute noch, dass sie mehr Relevanz hat, als je zuvor. Es hat weltweit noch nie so viele Flüchtlinge gegeben wie momentan. Die Verfasser der Konvention, ob absichtlich oder nicht, haben sie so formuliert, dass sie einen gewissen Spielraum lässt. Geschlecht etwa ist kein Kriterium, um als Flüchtling anerkannt zu werden. Trotzdem ist es gelungen, dass Frauen, die vor Genitalverstümmelung fliehen aus diesem Grund Flüchtlingsstatus bekommen. Oder Mädchen, die zwangsverheiratet werden sollen. Aus unserer Sicht besteht kein Änderungsbedarf.

Die GFK regelt, wer als Flüchtling gilt. Oft werden „Flucht“ und „Migration“ aber als synonym verwendet. Was ist der Unterschied?

Für uns ist das Auseinanderhalten von Migration und Flucht wesentlich. Migration ist, wenn Menschen sich überwiegend freiwillig entscheiden, woanders hinzugehen und in der Regel die Möglichkeit haben, wieder zurückzugehen. Flüchtlinge hingegen haben keine Möglichkeit, ins Heimatland zurückzukehren, weil dort massive Menschenrechtsverletzungen auf sie warten würden. An diese Unterscheidung knüpfen sich dann auch unterschiedliche Folgen, da Flüchtlinge sich auf die Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention berufen können.

UNHCR-Chef Österreich: "Nur ein Bruchteil will nach Europa"

Österreich wird oft für zu lange Asylverfahren kritisiert. Ist das berechtigt?

Da gibt es wahrscheinlich kein Schwarz und kein Weiß. Es gibt Verfahren, die zügig abgewickelt werden und wo man durchaus zufrieden sein kann. Es gibt aber auch Verfahren, die insgesamt sehr lange dauern, weil sie sehr komplex sind. Aber auch, weil es aufgrund der hohen Zahlen von 2015 und 2016 immer noch einen gewissen Rückstand gibt. Es wurde zwar sowohl beim BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), als auch beim Bundesverwaltungsgericht aufgestockt, aber trotzdem können die Richter und Richterinnen nur eine gewisse Zahl an Fällen abarbeiten.

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