Serben in Wien: Längst nicht mehr nur Hackler am Bau von nebenan
Jovanović, Vasić, Nikolić, Popović - diese Namen nehmen in den Top Ten der häufigsten serbischen Familiennamen die vordersten Plätze ein. Im Verzeichnis der häufigsten Wiener Nachnamen scheinen dieselben Namen zwar nicht unter den ersten zehn, dafür aber in den Top 50 auf - noch vor Maier, Kaiser oder Haas.
"Drittgrößte serbische Stadt der Welt"
Ja, die Jovanovićs, Popovićs & Co. gehören inzwischen zu Wien ebenso wie die Svobodas, Novaks, Vargas' oder Yilmaz'. Nach Angaben der Statistik Austria (Stand Jahresbeginn 2024) leben in der Bundeshauptstadt etwa 76.500 Personen mit serbischer Staatsbürgerschaft. Zählt man die Personen, die inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben sowie die bosnischen oder kroatischen Serben, die immer noch die bosnische bzw. kroatische Staatsbürgerschaft besitzen, wächst diese Zahl auf geschätzte 200.000.
Wenn auch diese Zahlen vage sind, eines ist sicher: Alle werden sie beim heutigen Fußball-Freundschaftsspiel zwischen Österreich und Serbien im Wiener Happel-Stadion nicht Platz finden.
"Deshalb wird Wien, nach Belgrad und Novi Sad, zu Recht als drittgrößte serbische Stadt der Welt bezeichnet. Hier ist Serbisch nach Deutsch die am häufigsten gesprochene Sprache", schreibt etwa die serbische Tageszeitung Danas. An Wiens Status der "größten serbischen Stadt außerhalb Serbiens" könnte lediglich noch Chicago rütteln. In der US-Metropole leben Schätzungen zufolge etwa 200.000 Menschen mit serbischem Background. Manche beschwören diese Zahl sogar auf bis zu 400.000. Das ist allerdings mit Vorsicht zu genießen.
Die meisten Serben bekennen sich zum serbisch-orthodoxen Christentum. Die Geschichte der serbisch-orthodoxen Kirche in Wien reicht bis ins Jahr 1860 zurück. Damals gab Kaiser Franz Joseph seinen Segen zur Gründung der Gemeinde zum heiligen Sava. Diese hat heute geschätzte 180.000 Mitglieder und besitzt im 3. Wiener Bezirk das größte orthodoxe Gotteshaus Wiens. Zwei weitere Kirchen befinden sich in Wien-Leopoldau und Wien-Ottakring.
Die Serben kamen in mehreren "Wellen" nach Wien
Hierzulande tauchen die Serben in offiziellen Dokumenten erstmals 1670 auf, als Leopold I serbischen Händlern das Privileg erteilte, im Handel zwischen Ost und West in Wien als Mittler zu fungieren. Nach der zweiten Wiener Türkenbelagerung 1683 setzten sich die ersten serbischen Soldaten, die in den Reihen des Heiligen Römischen Reiches gegen die Osmanen gekämpft hatten, in Wien nieder. Zwanzig Jahre später folgte der große Serbenzug ins Habsburgerreich.
Später sollten weitere Migrationswellen folgen, vier große allein in den vergangenen Jahrzehnten. In den ersten drei sind Zehntausende als Arbeitsmigrant:innen (zwischen den 1960er und achtziger Jahren) gekommen. Die vierte Welle in den 1990er Jahren war die schmerzhafteste für Serbinnen und Serben: Sie flüchteten diesmal vor den Kriegen in dem zerfallenden Ex-Jugoslawien.
Über ganz Wien verstreut gibt es Dutzende serbische Vereine, in denen Feste gefeiert und Volkstänze aufgeführt werden. Diese Vereine bestimmen vor allem das gesellschaftliche Leben jener Serbinnen aus Serben, die aus ländlichen Gebieten stammen bzw. zu den älteren Generationen zählen. Abgesehen davon trifft man sich auch bei Sportveranstaltungen, wie etwa den Spielen des Oberliga-Fußballvereins "SV Srbija Wien".
Bei den Jüngeren galt jahrelang die Ottakringer Straße - auch bekannt (und berüchtigt) als Balkanstraße - als DIE Ausgehmeile. Seit der Pandemie, die viele Clubs und Lokale nicht überlebt haben, hat sich das Geschehen verlagert bzw. zerstreut. Mittlerweile trifft sich die Community auch gerne in den zahlreichen "Ex-Yu-Lokalen" in der Märzstraße (15. Bezirk), in Wien-Favoriten, aber auch im 1. Wiener Bezirk.
Übrigens: Schätzungen zufolge gibt es in Wien über 200 Lokale, die sich im Besitz von Menschen mit ex-jugoslawischen Wurzeln befinden - und die ein ähnliches Publikum ansprechen.
Eine kleinere, aber nicht minder bedeutende, Migrationswelle erfolgte um die Jahrtausendwende herum. Zahlreiche Studentinnen und Studenten kamen nach den Balkan-Kriegen nach Wien und sorgten für eine "Image-Aufpolierung" der serbischen Community. Während ihre Landsleute als "einfache" bzw. weniger qualifizierte Arbeitskräfte" als Gastarbeiter:innen nach Österreich kamen, schlossen die Ende 1990/Anfang 2000 gekommenen jungen Serbinnen und Serben hier ihr Studium ab und mach(t)en Karriere.
Was in den 1970er bzw. 1980er Jahren unvorstellbar war, ist heute Realität: Der Serbe von nebenan ist nicht mehr zwingend "nur" ein Bauarbeiter oder eine schlecht verdienende Reinigungskraft, sondern ein anerkannter Facharzt, Banker, IT-Experte - oder eben Rekord-Fußballteamspieler wie Marko Arnautović.
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