Wenn der Gang über die Grenze immer eine Lotterie ist

CROATIA-BOSNIA-EU-ECONOMY-TRANSPORT-TOURISM
Ein/e in Österreich niedergelassener Bosnier/in bzw. ihre engsten Angehörigen können anscheinend kein Virus in die alte Heimat einschleusen. 

Es hört wohl nie auf, dieses mulmige Gefühl im Magen, wenn man sich ihr nähert. Ob Corona oder nicht, der Gang über die kroatisch-bosnische Grenze gleicht immer einer Lotterie, bei der nur Verluste entstehen können - unabhängig von der Farbe des Reisepasses, den man vorzeigen kann. 

In der Pandemie und den gefühlt täglich wechselnden Einreisebedingungen bzw. -beschränkungen ist die Ungewissheit darüber, ob und mit welchen Verlusten man in sein Geburtsland einreisen wird, noch höher geworden. Und das, obwohl die letzte Einreise doch Mut gemacht hat.

Überraschung Nr. 1

Zu Ostern hatte sich die Familie erstmals getraut, die Eltern bzw. Großeltern nach eineinhalbjähriger, coronabedingter Trennung zu besuchen. Ein Opa aus dem Quartett hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in die ewigen Jagdgründe verabschiedet, den letzten Gang hat die Familie verpasst - ebenso wie den des Urgroßvaters.

Nicht zuletzt aus Angst vor weiteren schmerzhaften Verlusten machte man sich auf den Weg in die alte Heimat. Die letzte Hürde dorthin, der Grenzübergang zwischen Kroatien und Bosnien, sollte sich als die gewohnt zähe erweisen. Dem Grenzbeamten reichten die negativen Antigen-Tests der drei österreichischen Staatsbürger bzw. einer kroatischen Staatsbürgerin nicht. PCR-Test seien notwendig, teilte der mürrisch blickende Mitdreißiger humorlos mit. Die zwei Impfpässe, die den mittlerweile zwei Monate alten zweiten Stich attestieren, interessieren ihn nicht, winkte er mit dem Zeigefinger ab. Als ob er uns den Weg ins etwa 500 km entfernte Wien zeigen wolle.

Erst als die Mutter mit verzweifelter Stimme hereinruft, sie sei neben der kroatischen auch im Besitz einer bosnischen Staatsbürgerschaft, sieht er die vier Passagiere ernsthaft an. Das ändere alles, sagte der Beamte. In diesem Fall bräuchte niemand von uns nicht mal ein Antigen-Test, denn die Mama ist im Besitz eines bosnischen Ausweises, was unabhängig von ihrem derzeitigen Wohnort (seit 17 Jahren ununterbrochen Wien) den Passierschein bedeute. "Der Herr, ein Tipp für Sie für die künftige Heimreise: Machen Sie eine Kopie Ihrer Heiratsurkunde. Damit dürfen Sie und Ihre Kinder als Angehörige einer Bosnierin ohne Vorweisen von Tests die Grenze überqueren", lautete der freundliche Hinweis des Beamten an den Mann der Bosnierin, der bis vor zwei Jahren selbst ein Bosnier gewesen war. 

Die Erkenntnis: Ein/e in Österreich niedergelassener Bosnier/in bzw. ihre engsten Angehörigen können kein Virus in die alte Heimat einschleusen. 

Überraschung Nr. 2

Mit dieser Erkenntnis trat die Familie auch am letzten Juli-Tag des zweiten Corona-Jahres den Weg "hinunter" an. Beflügelt von der Tatsache, dass das Passieren von der ungarisch-kroatischen Grenze problemlos ablief und man eine bosnische Staatsbürgerin hat, näherte sich die Wiener Familie dem Grenzübergang in Bosanski Šamac an. 

"Die Corona-Tests der beiden Kinder, bitte", lautete die überraschende Forderung des Grenzbeamten, der die zwei österreichischen Kinderpässe betrachtete. Der fahrende Papa bekam nicht mehr als ein halblautes "Wie, bitte" heraus. Auch Kinder unter 10 müssten einen negativen Test vorweisen können, um die Grenze zu passieren, erklärte der Herr hinter dem halbgeschlossenen Fenster. "Davon hören wir zum ersten Mal", riefen die beiden Erwachsenen im Einklang. Das sei neu, erwiderte der Beamte. 

Nun war's also wieder an der Zeit, sich an dem letzten Strohhalm zu klammern. "Aber, ihre Mutter hat die bosnische Staatsbürgerschaft", warfen die Eltern verzweifelt ein. Das spiele keine Rolle, sagte der Mann mit ernster Miene und faltete die vier Pässe zusammen und reichte sie durch den Fensterspalt. "Ich drücke diesmal ein Auge zu", sagte er.

Diesmal fuhren wir nur mit einer Erkenntnis: Auch der nächste Gang über die Grenze wird ein Lotteriespiel.

Kommentare