Der Wein soll den Westbalkan versöhnen
Die Überraschung wartet kurz nach der Landung am Belgrader Flughafen "Nikola Tesla". Gleich am ersten Lichtmasten der Straße, die Richtung Stadt führt, hängen nebeneinander die Nationalflaggen zweier Länder, die in der Vergangenheit nicht gerade freundschaftliche Beziehungen pflegten – Serbien und Albanien. Wenige Stunden später werden das serbische Staatsoberhaupt Aleksandar Vučić und seine albanische Amtskollegen Edi Rama bzw. Dimitar Kovačevski gut gelaunt die erste internationale Weinmesse "Wine Vision of Open Balkan" eröffnen.
Für die drei Westbalkan-Länder (Serbien, Albanien und Nordmazedonien) ist die Messe mit 330 Ausstellern, darunter auch Österreich, eine Art Auftaktveranstaltung für die Initiative "Open Balkan". Diese wurde 2019 ins Leben gerufen und soll in der Region einen wirtschaftlichen Aufschwung einleiten. So sollen ab dem 1. Jänner 2023 etliche Beschränkungen wegfallen. In den Bereichen Arbeit, Zoll, Kapitaltransfer und Anerkennung der Zeugnisse gibt es keine Grenzen mehr.
Effizienter zusammenarbeiten
Man rechnet sich aus, dass dadurch jährlich rund 30 Mio. Stunden Wartezeit an den Grenzen entfallen. Berechnungen der Weltbank zufolge würden sich die Initiatoren-Staaten dadurch rund 3,2 Mrd. Euro jährlich ersparen. Rund 1,5 Mrd. Euro davon entfallen auf Serbien als größtes Land von Open Balkan. Gemeinsam kommen sie auf einen Wirtschaftsraum mit rund 12 Mio. Einwohnern.
"Historische Barrieren abbauen"
Diese regionale Initiative habe "viele Gegner" und Kritiker, betonte Vučić bei seiner Eröffnungsrede. Die Weinmesse zeige aber, wie wichtig sie sei. "Unsere Aufgabe ist es, die Last historischer Barrieren abzubauen und die schwere Last von den Rücken unserer Nachkommen zu nehmen", sagte der serbische Präsident und richtete damit in gewisser Weise ein Appell an die Nachbarstaaten, die man eigentlich gerne an Bord von "Open Balkan" hätte.
Ihre Einladungen lassen Bosnien, der Kosovo und Montenegro noch liegen. Politische Indifferenzen verhindern immer noch ihren Beitritt der Initiative. In Serbien hofft man dennoch, dass es noch bis zum Jahresende einen Sinneswandel geben werde. Wirtschaftliche Erfolge könnten dazu verhelfen, eine Vorbildfunktion erfüllen. "Die Unternehmen wollen ihre Geschäfte machen. Da ist niemand an Querelen interessiert", sagt Nada Knežević, Direktorin der Wirtschaftskammer Serbien in Österreich.
Ob "Open Balkan" die Antwort auf die langen Gespräche und Verhandlungen über einen EU-Beitritt ist? "Als wirtschaftlich erfolgreiches Land ist man natürlich auch für Brüssel interessanter. Aber den Stock mit der Karotte vorne sehen wir schon etliche Jahre", merkt Knežević an und deutet eine gewisse Müdigkeit Serbiens an.
Das lange Warten auf die EU
Daher strebe Serbien zwar nach wie vor eine EU-Mitgliedschaft an, nütze aber auch andere Chancen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. So bemüht sich der Staat etwa um Freihandelsabkommen. Neben dem mit Russland soll 2023 eines mit China in Kraft treten. Und mit Ägypten verhandle man ebenfalls. Und in der Region setzt Serbien auf die Open Balkan-Initiative. Daher wurde die Weinmesse nicht nur von Serbien initiiert sondern auch von Nord-Mazedonien und Albanien ausgerichtet.
"Das internationale Interesse ist natürlich größer, wenn hier viele Aussteller sind - da kommen dann auch Sommeliers und Einkäufer nach Belgrad", freut sich Knežević. Dabei gehe es auch darum, den Wein aus dieser Region wieder bekannt zu machen. "In der k.u.k-Zeit waren die Weißweine sehr beliebt und wurden in Wien gerne getrunken. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Qualität rapide. Doch jetzt gibt es wieder Winzer, die Qualitätsweine produzieren".
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