"Demokratie ist kein Selbstläufer": Start der "Pass Egal Wahl"
Am 9. Oktober wird Österreich den nächsten Bundespräsidenten (es treten diesmal nur männliche Kandidaten) wählen. Parallel bzw. im Vorfeld dazu findet auch die „Pass-Egal-Wahl“ statt. Die 2013 von SOS Mitmensch in Leben gerufene Aktion soll auch Menschen, die nicht in Österreich wählen dürfen, eine symbolische Möglichkeit zum Wählen bieten.
"Demokratie lebt von Beteiligung, nicht von Ausschluss. Wenn eine Rekordzahl an hier lebenden Menschen von unserer Demokratie ausgeschlossen ist, dann ist das ein Problem. Dem wollen wir mit der Pass-Egal-Wahl und der Forderung nach einer demokratischen Öffnung entgegentreten", erklärt Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch, der auch für ein Wahlrecht entkoppelt von der Staatsbürgerschaft plädiert. "Menschen, die schon länger als drei Jahre dauerhaft in Österreich leben, sollten hier auch wählen und mitbestimmen dürfen", betont Pollak bei der Pressekonferenz anlässlich zur Pass-Egal-Wahl
Jeder fünfte in Österreich
Rund 1,4 Millionen Menschen, die 16 Jahre alt oder älter sind, können bei der anstehenden Bundespräsidentschaftswahl mangels Staatsbürgerschaft nicht teilnehmen – das ist annähernd jede fünfte in Österreich lebende Person im Wahlalter. In Graz, Linz und Innsbruck ist es jede vierte und in Wien sogar jede dritte Person. Knapp die Hälfte der Betroffenen lebt laut den Daten der Statistik Austria schon länger als 10 Jahre in Österreich, ein Drittel sogar schon länger als 15 Jahre.
Dazu zählt etwa der Wissenschaftler Selim Aslan. Der gebürtige Türke lebt seit 35 Jahren in Österreich, aber sein Staatsbürgerschaftsantrag wurde kürzlich aufgrund zu vieler Forschungsaufenthalte im Ausland abgelehnt. "Für einen politisch denkenden Menschen, dem die Belange einer Gesellschaft wichtig sind, ist es nicht einsichtig und persönlich belastend, von jeglicher Mitgestaltung ausgeschlossen zu sein", erklärt Aslan.
"Verstehe nicht, warum meine Stimme nicht zählen soll"
Auch die Anzahl der Betroffenen, die in Österreich geboren sind, wachse kontinuierlich, so SOS Mitmensch. So etwa Isabelle Obeya. Die 23-Jährige ist in Österreich zur Welt gekommen und hier zur Schule gegangen ist, aber britische Staatsbürgerin. Da sie diese nicht aufgeben möchte, Österreich aber nur in wenigen Fällen Doppelstaatsbürgerschaften zulässt, ist sie in Österreich nicht wahlberechtigt. "Ich verstehe nicht, warum meine Stimme nicht zählen soll. Ich arbeite hier, ich habe hier meine Matura gemacht und werde dennoch nicht als Österreicherin anerkannt. Das ergibt keinen Sinn", findet Obeya. Es sei frustrierend für sie, dass sie nicht wählen dürfe, so die 23-Jährige. Sie werde zumindest an der Pass-Egal Wahl teilnehmen.
An dieser sind erstmals auch mehr als 40 Schulen bundesweit beteiligt. "Die-Pass-Egal Wahl in Schulen gibt jungen Menschen, die ins Wahlalter kommen und nicht wählen dürfen, die Möglichkeit, eine symbolische Wahl selbst mitzuerleben. Lehrer:innen, die ihnen im Demokratieunterricht erklären müssen, warum sie sich nicht beteiligen dürfen, wird damit ein Instrumentarium für den Umgang mit dem Demokratiedefizit angeboten", erklärt Gerlinde Affenzeller, Geschäftsführerin von SOS Mitmensch und fügt hinzu: "Demokratie ist kein Selbstläufer".
Widersprüchliche Situation
Für Politikwissenschaftler Georg Lauß ist die derzeitige Situation für die schulische politische Bildung besonders schwierig. "Die politische Bildung steht vor der widersprüchlichen Situation, dass die Bedeutung von demokratischen Wahlen vermittelt werden soll und muss, obwohl die Stimmen eines substanziellen Anteils von Schüler:innen in Wirklichkeit nicht abgegeben werden dürfen", so Lauß.
Pass Egal Wahl
Von 8. September bis 4. Oktober können Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft bei der „Pass Egal Wahl“ ihre Stimme für die Bundespräsidentschaftskandidaten abgeben. Auch Solidaritätsstimmen von Menschen mit österreichischem Pass sind möglich. Informationen zu allen Wahlmöglichkeiten im Rahmen der „Pass Egal Wahl“ finden sich auf der Webseite www.passegalwahl.at
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