Weiblich und unterbezahlt: Keine Chance auf Staatsbürgerschaft
"Zahl der Einbürgerungen verdoppelt". Diese Schlagzeile wirft ein falsches Licht auf die aktuelle Debatte. Von den 4.865 im ersten Quartal 2022 eingebürgerten Personen sind nämlich knapp 40 Prozent Nachkommen von NS-Opfern, das Sonderprogramm ist daher als Einmaleffekt zu zählen. Die Einbürgerungszahlen sind nämlich seit Jahren rückläufig, weshalb die Arbeiterkammer zuletzt erneut einen niederschwelligen Zugang zur Staatsbürgerschaft forderte. Die Verfahren sollen beschleunigt, die Kosten gesenkt werden. Zudem sei die Vergabe der Staatsbürgerschaft nach dem Abstammungsprinzip nicht mehr zeitgemäß.
"Die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut und darf nicht leichtfertig vergeben werden", konterte die ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner. Ihre Partei sei "der Garant dafür, dass es keinesfalls zu dieser Entwertung der Staatsbürgerschaft kommt. Denn die Staatsbürgerschaft muss man sich verdienen", stellte Sachslehner fest.
"Wollte mitbestimmen"
"Verdienen" konnte sich diese Maiko Sarukai lange nicht. Erst mit 37 Jahren wurde die Künstlerin zur "Österreicherin" - obwohl sie hier geboren ist. Von ihren Eltern hatte sie die japanische Staatsbürgerschaft geerbt. "Lange wollte ich die österreichische gar nicht, weil ich mich als Person asiatischer Abstammung hier nicht besonders willkommen gefühlt habe", sagt sie. Doch mit der Zeit habe sie einfach gemerkt, wie wichtig diese sei: "Etwa um wählen und mitbestimmen zu können". Mit 27 Jahren startete sie ihren ersten Versuch in Richtung eines österreichischen Passes. Doch mit einem 30-Stunden-Job in einem Kulturbetrieb verdiente sie nicht genug. Zehn Jahre sollte es noch dauern, bis es für die österreichische Staatsbürgerschaft reichte.
Der finanzielle Aspekt ist nämlich für viele eine unüberbrückbare Hürde auf dem Weg zu einem österreichischen Pass.
Welche finanziellen Voraussetzungen müssen erfüllt werden?
Ziemlich viel. Das Gesetz verlangt feste und regelmäßige Einkünfte in Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes (2022: 1.030,49 Euro für Einzelpersonen und 1.625,71 Euro für Familien). Dieser Betrag muss nach Abzug von Wohnkosten und sonstigen regelmäßigen Aufwendungen wie Kreditrückzahlungen monatlich netto zur Verfügung stehen. Hinzu kommen erhebliche Bundes- und Landesgebühren. Bei einer Familie betragen die Gesamtkosten einige Tausend Euro. Übrigens: Expertenschätzungen zufolge könnte sich etwa auch ein Drittel der autochthonen Österreicher die Staatsbürgerschaft nicht leisten bzw. würden die obengenannten Bedingungen nicht erfüllen.
Wer hat überhaupt einen Anspruch auf den Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft?
Das österreichische Einbürgerungsrecht folgt dem Prinzip "ius sanguinis": Die Staatsbürgerschaft leitet sich grundsätzlich von der Staatsbürgerschaft der Eltern ab. Erforderlich für die Einbürgerung ist ein ununterbrochener zehnjähriger, rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich, wobei davon zumindest fünf Jahre Lebensmittelpunkt in Österreich nachzuweisen sind. Der Lebensmittelpunkt besteht bei aufrechtem Wohnsitz und nicht nur vorübergehender Erwerbstätigkeit. Für Ehegatten von Österreicherinnen, im Inland geborene Personen und EWR-Staatsbürgerinnen verkürzt sich die Dauer des geforderten Aufenthalts auf sechs Jahre.
Wie viele in Österreich lebende Menschen besitzen keine österreichische Staatsbürgerschaft?
Aktuell haben 1,5 Millionen Menschen bzw. 17,7 Prozent der Wohnbevölkerung keine österreichische Staatsbürgerschaft und somit kein Wahlrecht. In der Altersgruppe 27 bis 44 liegt der Wert bei über 40 Prozent. Bei den Wiener Landtagswahlen 2020 war ein Drittel der österreichischen Bevölkerung nicht mehr wahlberechtigt, in einigen Bezirken durfte nur noch die Hälfte wählen.
Woran liegt es, dass so viele nicht eingebürgert sind?
Die Einbürgerung scheitert in erster Linie an den zu hohen Einkommenshürden. Daten des Dachverbands der Sozialversicherungsträger zeichnen die folgende Problematik: Von den aktuell knapp 1,5 Millionen Arbeiter können sich österreichweit beinahe 39 Prozent nicht an Landtags- oder Nationalratswahlen beteiligen. In Wien sind nahezu 60 Prozent der Arbeiter nicht wahlberechtigt. Bei Angestellten liegt dieser Wert bei vergleichsweise niedrigen 21 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass das strenge Einbürgerungsrecht vor allem Geringverdiener trifft - und in dieser Gruppe insbesondere Frauen, die tendenziell in schlechter bezahlten systemrelevanten Berufen arbeiten.
Wie lange dauert es von der Antragstellung bis zum Erhalt der Staatsbürgerschaft?
Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich - und hängt wohl auch von den Voraussetzungen, die der Antragsteller mitbringt, ab. Bei der Antragstellung in Wien heißt es etwa, das Verfahren würde sechs bis zwölf Monate dauern. In der Regel muss man aber erfahrungsgemäß mit einer doppelt so langen Wartezeit rechnen. Eines ist gewiss: Die Antragsteller müssen sich auf einen erheblichen bürokratischen Aufwand einstellen.
Wie steht Österreich im internationalen Vergleich dar?
Schlecht. Das zeigt sich im Migrant Integration Policy Index vom Jahr 2020, der die Integrationsbedingungen von Staaten der EU und der OECD vergleicht. Darin belegt Österreich Platz 53 von 56 - knapp vor den Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien.
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