Bis an die (eigenen) Grenzen - Auf der Flucht mit Behinderung
Sie fallen schon ein wenig auf. Inmitten der niederösterreichischen Idylle des Haus Waldpension, wo man sonst eher ältere Menschen sieht, sind nun auch Kinder und ganze Familien. Sie sprechen Russisch oder Ukrainisch und wirken ein wenig wie aus einer anderen Welt.
Gewissermaßen sind sie es auch. Vor wenigen Wochen lebten sie noch in einem komplett anderen Land. In einem, in dem noch halbwegs Normalität herrschte. Und nun befinden sie sich in der Buckligen Welt von Grimmenstein.
Spontane Unterkünfte
Millionen von Menschen mussten bereits aufgrund des Angriffskriegs Russlands die Ukraine verlassen. 25 von ihnen gibt das Haus Waldpension ein Zuhause. Komplett barrierefrei ist sie die Einrichtung, sonst eine wo vor allem viele blinde und sehbeeinträchtigte Menschen herkommen. Aber in dem Fall war auch das Haus Waldpension eine Notfalllösung. Als die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs über ukrainische Organisationen sowie die Lebenshilfe erfuhr, dass ein Bus mit beeinträchtigen Menschen und ihren Angehörigen auf dem Weg ist, wurden spontan Unterkünfte in der Haus Waldpension geschaffen.
Kurier hat drei der neuen Bewohner der Haus Waldpension besucht. Hier geht es zum Video:
„Natürlich ist es nicht ideal. Die Menschen haben alle unterschiedliche Bedürfnisse, die wir nicht alle abdecken können. Und auch die Sprachbarriere macht alles schwieriger. Wir haben zwar Übersetzer, aber nicht rund um die Uhr“, so die Hilfsgemeinschaft.
Ins Ungewisse
"Wir lebten am Stadtrand von Kiew, unweit von uns explodierte es immer wieder“, erinnern sich Julia und Alexander Druz. Für ihren Sohn, der schwer autistisch ist, waren vor allem die Geräusche, Sirenen und Explosionen, irgendwann nicht mehr zumutbar. „Die 12 Stunden lange Fahrt war extrem schwierig. Es waren viele Kinder im Bus, die schrien. Unser Sohn kam damit gar nicht zurecht. Aber jetzt sind wir hier. Er hat sich mittlerweile an die Situationen gewöhnt. Es ist alles gut“, sagen sie.
Alleine von der Ukraine nach Österreich
Ruslan Ishchenko kam erst später im Haus Waldpension an – nicht mit dem Bus, sondern auf eigene Faust. Auch er wohnte in Kiew und arbeite dort für das Zentrum für Sehbeeinträchtigte. Der 39-Jährige ist selbst schwer sehbeeinträchtigt. „Als der Krieg losging, suchte ich zunächst nach anderen, mit denen ich fliehen kann. Aber niemand wollte weg, also bin ich alleine losgegangen“, erzählt er gleichgültig. „Es war natürlich schwierig, ins Ungewisse zu gehen“, fügt er nur hinzu.
Mit dem Zug fuhr Ishchenko zuerst nach Polen, dann nach Wien. „Das war beängstigend und anstrengend. Ich musste die ganze Zeit stehen. Aber im Leben hat alles seinen Preis. Und am Ende ist es das wert, etwas zu opfern, um zu sehen, wozu man in der Lage ist“, betont er. Österreich sehe er jetzt auch als neue Chance, wo er neue Menschen kennenlernen und sich ein neues Leben aufbauen könne.
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