"Ach, diese Hitze!": Wieso wir uns so gern übers Wetter unterhalten

"Ach, diese Hitze!": Wieso wir uns so gern übers Wetter unterhalten
Warum die Witterungslage aus alltäglichen Unterhaltungen nicht wegzudenken ist und der Klimawandel Wettergespräche fördert.

Sechs Monate – so lange reden die Briten im Laufe ihres Lebens im Schnitt über das schlechte Wetter auf der Insel. Die Studie des Meinungsforschungsinstitutes ICM (2015) ergab außerdem, dass 58 Prozent der Briten mit Fremden und Bekannten zuallererst darüber sprechen, ob es regnet oder ob die Sonne scheint.

Auch hierzulande ist das Wetter ein populäres Gesprächsthema. Nicht nur, aber vor allem, wenn man eine Unterhaltung beginnen möchte, etwa mit Kollegen oder entfernten Bekannten.

Unverfänglich plaudern

Das kommt nicht von ungefähr, schildert Gesprächsforscher Patrick Voßkamp von der Universität Duisburg-Essen im Interview mit der dpa. Darüber zu reden, dass einem die Hitze zu schaffen macht oder der Regen aufs Gemüt schlägt, sei unverfänglich und liefere vergleichsweise wenig Konfliktpotenzial.

Auch Susanne Günthner, die sich an der Universität Münster mit Alltagskommunikation befasst, bezeichnet das Wetter im Interview als "Safe Topic", also als "sicheres Thema". Günthner zufolge eignet es sich daher auch, um ins Gespräch zu kommen und die Reaktion des Gegenübers abzutesten. Steigt dieser auf die Unterhaltung ein, "kann ich das Gespräch weiterführen – wenn nein, kann ich ohne Probleme wieder aussteigen", sagt Günthner.

Auch peinliche Gesprächspausen könnten damit überbrückt werden – nicht zuletzt deshalb, weil das Wetter nunmal jeden betreffe.

Eisbrecher

Als Gesprächsthema funktioniere das Wetter deshalb über alle sozialen oder kulturellen Unterschiede hinweg, weil Vorinformationen über den anderen nicht nötig sind. "Man kann mit jedem darüber sprechen, egal welche Herkunft, welchen Bildungsstand oder welches Alter er hat", weiß Günthner. Und weil es sich ständig ändert, biete das Wetter auch andauernden Gesprächsstoff.

Das Reden übers Wetter schafft eine gemeinsame Basis, meint auch der Psychologe Gerhard Reese von der Uni Koblenz-Landau: "Das wirkt wie ein sozialer Kitt, es macht eine Beziehung von Anfang an flüssiger."

Dass eine Unterhaltung übers Wetter dazu diene, unangenehme andere Themen zu vermeiden, ist nach Einschätzung von Reese eher selten. "Ich glaube nicht, dass wichtige Themen dadurch verdrängt werden."

Sprachforscher Voßkamp rät ausdrücklich dazu, zunächst mit dem Wetter anzufangen, wenn man von seinem Gesprächspartner etwas will. "So wird über Smalltalk erstmal eine angenehme Atmosphäre geschaffen, dann fällt es leichter, schwierige Dinge anzusprechen. Das ist wie eine Art Eisbrecher."

Sozialer Kitt

Apropos Smalltalk: Dass man sich für entspanntes Geplauder bewusst Zeit nehmen sollte, haben Psychologen der Universitäten British Columbia und Cambridge bereits vor vier Jahren herausgefunden. Demnach ist Smalltalk deshalb wichtig, weil Menschen als soziale Wesen von Natur aus haben ein Bedürfnis danach haben, sich eingebunden zu fühlen und beachtet zu werden. Schon ein kurzes Gespräch mit einem Verkäufer oder Kassierer mache zufriedener, als ein wortloser, schneller Einkauf.

Uwe Kirsche vom Deutschen Wetterdienst geht das Gerede übers Wetter in privaten Unterhaltungen dennoch manchmal ziemlich auf die Nerven. "Beruflich ist das was anderes, da spreche ich natürlich ständig darüber", sagt der Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Aber im Bekanntenkreis bekomme er regelmäßig Kommentare zu hören wie "Was habt ihr denn da wieder vorhergesagt?" oder "Mach mal was, dass das Wetter wieder besser wird".

Klimawandel fördert Wettergespräche

Andererseits beobachtet er, dass Gespräche übers Wetter sich inzwischen häufiger als früher vom oberflächlichen Smalltalk wegbewegten: "Der Klimawandel und seine Auswirkungen spielen in Unterhaltungen seit einigen Jahren zunehmend eine Rolle."

Übrigens: Was gutes oder schlechtes Wetter ist, sei relativ, weiß Kirsche. "Die Vorstellungen sind da sehr unterschiedlich." Wenn das DWD-Team beispielsweise in sozialen Netzwerken etwas von "gutem Wetter" poste, sei auf jeden Fall Widerspruch zu erwarten.

"Je nach persönlicher Situation und Rolle können die Meinungen da natürlich ziemlich auseinander gehen", sagt auch Voßkamp. Während man selbst sich über Regen ärgere, sei ein Landwirt vielleicht froh darüber. Während der eine Hitze nicht gut vertrage, freue der andere sich aufs Freibad.

Diskussionen übers Wetter sind also längst nicht alle einig. Beliebtestes Gesprächsthema wird es wohl dennoch bleiben.

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