Warum Erwachsene den Schmerz von Mädchen weniger ernst nehmen

Erwachsene nehmen den Schmerz von Buben als gravierender wahr als den von Mädchen, sagen Forscher der Universität Yale.
Die Studienautoren der Universität Yale führen das Ergebnis auf vorherrschende Geschlechterstereotype zurück.

Geschlechterstereotype tun Kindern weh – im wahrsten Sinne des Wortes. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Erhebung der Yale University, die Anfang des Jahres im Journal of Pediatric Psychology veröffentlicht wurde.

Bewertung des Schmerzbewusstseins

Konkret zeigte sich, dass US-amerikanische Erwachsene das Schmerzempfinden von Mädchen weniger ernstnehmen als jenes von gleichaltrigen Buben.

Um einen direkten Vergleich anstellen zu können, wurde einer diversen Stichprobe erwachsener Probanden ein Video präsentiert. In diesem war zu sehen, wie einem fünfjährigen Kind per Fingerstich Blut abgenommen wird. In einem weiteren Schritt mussten die Teilnehmer anhand der Reaktion des Kindes einschätzen, wie groß dessen Schmerzempfinden bei der Behandlung war.

Allen Probanden wurde dieselbe Szene gezeigt – eine Gruppe erhielt vorab allerdings die Information, dass das Kind "Samuel" heißt – also ein Bub ist. Die andere Gruppe bekam die Information, dass das Kind ein Mädchen ist und den Namen "Samantha" trägt. Der Schmerz des Buben wurde als gravierender eingeschätzt als jener des Mädchens.

Kulturelle Prägungen

Die Forscher führen den Effekt, nämlich das Herunterspielen von weiblichem und die Überbetonung von männlichem Schmerz, auf kulturelle Prägungen zurück. Diese würden durch wissenschaftlich nicht belegte, aber dennoch gesellschaftlich tradierte Mythen – etwa, dass Mädchen emotionaler bzw. weihleidiger und Buben stoischer bzw. tapferer sind – gestützt.

Die neuen Erkenntnisse würden bisherige Studien zur geschlechtsspezifischen Stereotypisierung und voreingenommenen Bewertung von Schmerzen bei erwachsenen Patienten bestätigen. Bei der aktuellen Erhebung handelt es sich allerdings um die erste Studie mit dieser Art, die entsprechende Annahmen auf kindlicher Ebene geprüft hat.

Dasselbe Experiment wurde bereits 2013 von einem anderen Forschungsteam durchgeführt. Das Ergebnis konnte nun mit einem größeren und demografisch vielfältigeren Sample wiederholt werden.

Auswirkungen für Diagnose und Behandlung

"Wir hoffen wirklich, dass diese Erkenntnisse zu einer weiteren Untersuchung der potenziellen Rolle von Verzerrungen bei der Schmerzbewertung und Gesundheitsfürsorge im Allgemeinen führen werden", wird Joshua Monrad, Mitautor der Studie, in einer Aussendung zitiert. Sollten sich die beobachteten Phänomene auf andere andere Settings übertragen lassen, hätte dies "wichtige Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung". Jegliche Vorurteile bei der Schmerzbeurteilung würden eine ungerechte Gesundheitsversorgung verschärfen können.

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