Warum Puppen im Kinderzimmer so wichtig sind

Spielen ist für Kinder Hauptquelle des Lernens.
Was Puppen als Spielzeug so besonders macht und warum Vielfalt wichtig ist.

Puppen spielen eine zentrale Rolle bei der Persönlichkeitsbildung. Wenn also der Nachwuchs die menschenähnlichen Figuren an die Spitze ihres Weihnachts-Wunschzettels stellt, können sich Eltern durchaus freuen, sagt Kinder- und Jugendpsychologin Monika Fraisl: "Die Puppe ist eines der ältesten und bedeutendsten Spielzeuge."

Das Spielen mit Puppen sei vor allem Teil der Realitätsbewältigung. Kinder können durch die Beschäftigung mit der Puppe angenehme wie unangenehme Befindlichkeiten zum Ausdruck bringen, die für sie sonst nur schwer einzuordnen sind. "Die Puppe erleidet und durchlebt alles, was das Kind beschäftigt. Solche Erfahrungen werden im Spiel verarbeitet." Die Puppe biete auch eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung, was wiederum "die Erfahrung sinnlicher, kommunikativer und sozialer Erlebnisse ermöglicht und das Kind die Realität bewältigen und eine Ich-Identität entwickeln lässt".

Barbie im Wandel

Eine besondere Stellung in der Puppenindustrie nimmt die Barbie ein, natürlich ist die Kult-Puppe auch zu Weihnachten ein beliebtes Geschenk. Im Jahr 1959 ging in den USA die erste Barbie im gestreiften Badeanzug über den Ladentisch. Ihre Lippen waren kirschrot, an ihren Ohren baumelten unter platinblonden Haaren silberne Kreolen. Noch etwas stach ins Auge: ihre Modelmaße. In Europa wurde die Puppe zwei Jahre später eingeführt und avancierte schnell zum Bestseller. Für ihre Optik erntete Hersteller Mattel trotzdem Kritik: Wie Barbie aussieht, welche Berufe sie ergreift und welche Interessen sie hat, wird seither oft diskutiert.

Mattel erklärte aber schon immer als Ziel, mit der Frauenfigur den Zeitgeist einfangen zu wollen. Daher sah der Konzern unter anderem den Verkauf der Stewardess Barbie als Meilenstein, die eine selbstständige, berufstätige Frau verkörperte. Das makellose Aussehen der Barbie blieb dennoch vergleichsweise lange an das gängige Schönheitsideal angepasst. Erst 2016 sorgte die Produktion von kurvigen Barbies für Aufsehen. Nach jahrzehntelanger Kritik an den unrealistischen Körpermaßen und dem generischen Aussehen der Puppe werden nun Modelle mit verschiedenen Figuren und Gesichts- und Augenformen hergestellt. Anlässlich des US-Präsidentschaftswahlkampfes brachte man wenig später Präsidentinnen-Puppen auf den Markt, um sich für Frauen in Führungspositionen stark zu machen. Barbieträgt mittlerweile Kopftuch– und darf auch Frauen lieben. Letzteres brachte Mattel kürzlich mit einem Posting auf dem sozialen Netzwerk Instagram zum Ausdruck. Man zeigte Barbie in einem Shirt mit "Liebe gewinnt"-Aufdruck und Regenbogen, dem Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung.

Vorbildfunktion

Warum vor allem die äußerlichen Veränderungen notwendig waren: "Barbie trägt zur Etablierung eines homogenen standardisierten Schönheitsideals bei", sagt Fraisl. Für Kinder reiche es oft nicht aus, eine Barbie nur zu besitzen. "Mädchen tendieren dazu, der Topmodel-Figur der Barbie nachzueifern", erläutert die Expertin.

In puncto Persönlichkeitsentwicklung entfalten sich laut der Expertin im Spiel mit der Barbie Entwicklungsaufgaben, beispielsweise loten Kinder dabei Generations- und Geschlechterrollen aus. "Man kann davon ausgehen, dass ein erweitertes Rollenrepertoire durch das Spiel mit Barbies eröffnet und erprobt wird." Im Unterschied zur klassischen Babypuppe habe sie eher die Rolle eines weiblichen Vorbildes oder einer Freundin, erklärt Fraisl. Neben der Vorbereitung auf die Erwachsenenrolle ist auch das Thema Freundschaft zentral. Soziale Kompetenzen wie das Erteilen von Ratschlägen, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit oder Verlässlichkeit können zu Spielinhalten werden.

Geschlechter-Klischees

Ob sich nun tatsächlich eine Puppe im Brief an das Christkind findet oder nicht, greifen Eltern nach wie vor gerne zu Modellen aller Art – für Mädchen, versteht sich. Die Auffassung, welche Spielzeuge für Mädchen und welche für Burschen geeignet sind, gehen eng mit klassischen Stereotypen einher.

Spielwaren in geschlechtsspezifische Kategorien einzuteilen, hält Fraisl aber für problematisch: "Stofftiere erfüllen für Buben gelegentlich die gleichen Funktionen wie Puppen für Mädchen. Trotzdem ist zu berücksichtigen, dass das Puppenspiel für Buben gleichfalls das realitätsnähere Üben einer Rolle darstellt. Sozial-emotionale Kompetenzen können hierbei trainiert, erfahren und gestärkt werden, wie auch bei Mädchen." Das Aufbrechen vorherrschender Muster bewertet Fraisl positiv: "In unserer Gesellschaft wird die Rolle des Mannes als liebender Familienvater, der sich verstärkt um die Kinderversorgung bemüht, vermehrt eingefordert." Die frühe Auseinandersetzung mit dieser Rolle bedinge einen natürlichen Umgang im familiären Rahmen aufgrund erhöhter sozial-emotionaler Kompetenzen. Die Entwicklungen der Puppen spiegeln auch diesen Wandel der Gesellschaft wider – und können ihn sogar fördern.

Eltern, die ihrem Nachwuchs sinnvolles und vielfältiges Spielen ermöglichen wollen, empfiehlt Fraisl weniger auf das Geschlecht, sondern vielmehr auf das Entwicklungsalter und die Interessen des Kindes zu achten. "Als pädagogisch wertvoll sind Spielangebote zu erachten, die dem Entwicklungsalter des Kindes entsprechen." Statt den Trends der Industrie zu folgen, sei es ratsam Spielzeug zu wählen, "das Raum für Kreativität und Fantasie lässt."

Während Mattel die Barbie facettenreicher gestaltet, wächst auch eine gänzlich neue Puppengeneration heran. Puppen, die nicht gängigen Schönheitsidealen oder einer stereotypen Norm entsprechen, sind damit längst keine Seltenheit mehr.

Normalität für Kinder

Die US-amerikanische Künstlerin und Schmuckdesignerin Kay Black fasst mit ihren Entwürfen ein besonderes Thema ins Auge. Um Kindern, die an der Hauterkrankung Vitiligo leiden, Spielzeug zur Verfügung zu stellen, hat Kay Black Püppchen erschaffen, die ebenfalls weiße, pigmentfreie Hautflecken aufweisen. Damit will sie betroffenen Kindern ein Stück Normalität schenken.

Bei Vitiligo handelt es sich um eine Erkrankung der Haut, die weltweit rund zwei Prozent der Menschen betrifft. Charakteristisch für die nicht ansteckende Hauterkrankung sind weiße Hautflecken, die sich im Laufe des Lebens am Körper ausweiten können. Neben den Vitiligo-Puppen verkauft Black auch Einzelstücke mit unterschiedlichen Hautfarben, Sommersprossen, Brillen oder krausem Haar.

Warum Puppen im Kinderzimmer so wichtig sind
Puppe mit Hautkrankheit

Echt statt makellos

Im Mittelpunkt eines mexikanischen Projekts steht Body Positivity, eine Bewegung, die sich für einen wohlwollenderen Blick auf Körper und Körperlichkeit einsetzt. Marelsy Castillo, Mitbegründerin und Vorständin der Marke Melinas, kreiert zusammen mit ihrer Mutter Merry Ocampo Stoffpüppchen, die Frauen selbstbewusster machen sollen. Modelmaße lassen die beiden Mexikanerinnen dabei bewusst außen vor.

Stattdessen sind im Onlineshop Puppen mit breiten Hüften, verschiedenen Körbchengrößen und Cellulite erhältlich. Die handgemachten Püppchen tragen sinnliche Wäsche und haben immer das gleiche Gesicht – mit herzförmigem Mund und geschlossenen Augen. Außerdem werden personalisierte Modelle angeboten, die nach dem Vorbild der Kundin angefertigt werden. "Ist man mit einem Körperteil unzufrieden, dann hat es etwas Magisches, sich selbst von einer Puppe repräsentiert zu sehen. Wenn unsere Kundinnen sich zum ersten Mal als Puppe sehen, sehen sie etwas Schönes und Attraktives ", sagt Merry Ocampo.

Warum Puppen im Kinderzimmer so wichtig sind
Puppe mit Cellulite der Marke Melinas

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