Danzig: Die sich erneuernde Ostseestadt

Danzig, Polen
Dank der Hanse hat die Stadt viel Flair. Von den verheerenden Zerstörungen während des Weltkriegs ist nichts mehr zu sehen, die Gebäude sind wieder hergestellt und voller Leben erfüllt.

Die Ankunft am Danziger Hauptbahnhof ist vielversprechend. Mit der Fassade aus rotem Backstein, einem Treppengiebel über einer großen Rosette und dem Uhrturm mit spitzem, gotisch anmutendem Dach. Stadtführer Darko lässt seine Gäste zunächst Eckpunkte der jüngeren Geschichte der Stadt erleben.

Danzig: Die sich erneuernde Ostseestadt

Stadtführer Darko spricht perfekt Deutsch und erzählt von der Solidaritätsbewegung, die Lech Walesa damals anführte

In der ehemaligen Lenin-Werft, die direkt ans Zentrum von Danzig angrenzt, verbarrikadieren sich 1980 die Werftarbeiter unter der Führung von Lech Wałęsa. Nach zähen Verhandlungen darf die erste freie Gewerkschaft gegründet werden. Darko, er spricht perfekt Deutsch, erzählt als Zeitzeuge von den Ereignissen, die er hautnah miterlebt hat.

Dutzende mächtige Kräne der Werft prägen die Danziger Skyline. Seit dem wirtschaftlichen Niedergang am Beginn des 21. Jahrhunderts drehen sie sich kaum noch. Aber das Schicksal als Industriedenkmal ist noch nicht entschieden. Hinter dem Eingangstor zur Werft bilden rostbraune Stahlplatten die moderne Fassade des Museums der Solidaritätsbewegung.

Danzig: Die sich erneuernde Ostseestadt

Danzig, Polen

2016 eröffnet, mit vielen originalen Fahrzeugen, Utensilien und Filmdokumenten der für Polen so entscheidenden Ereignisse. Auf dem Werftgelände kann man sich ziemlich frei bewegen. Die Werkskantine versprüht den Charme der damaligen Zeit, mit vergilbten Bildern aus der Blütezeit der Werft an den Wänden. Ein paar Arbeiter verbringen hier ihre Pause. Von den historischen Hallen stehen viele leer, in mancher werden inzwischen Windkraftanlagen produziert. Aber auch Jachten privater Auftraggeber: Ein breites Tor wird geöffnet und ein mächtiger Katamaran bedächtig aus der Halle herausgerollt. Ein Beispiel für Versuche zur Wiederbelebung der Danziger Werft.

Danzig: Die sich erneuernde Ostseestadt

Kunstfiguren aus Metallresten der Werft

Auch viele Künstler haben das weite Gelände für sich entdeckt. Skurrile Skulpturen, zusammengeschweißt aus Stahlresten und Maschinenteilen alter Schiffsbauten stehen am Ufer des Mottlau-Flusses. Ein Teil des Geländes soll zum Treffpunkt für die Jugend werden. Eine Halle dient als Bar, direkt an der Uferpromenade, die ins Zentrum führt.

Hölzernes Wahrzeichen

Das Krantor, ein Wahrzeichen von Danzig, hebt sich deutlich von der Kulisse der Altstadt ab. Mit einem komplizierten Hebewerk in einem hölzernen Vorbau konnte man ganz ohne Maschinenhilfe bis zu vier Tonnen schwere Frachtstücke aus den Schiffen heben. Darko zeigt Luftbilder vom zerstörten Danzig nach den Angriffen im Zweiten Weltkrieg: Die Altstadt liegt in Trümmern, nur einzelne Fassaden ragen aus den Schuttbergen. Umso erstaunlicher, wie authentisch jetzt alles wirkt. Der Wiederaufbau ist sehr sorgfältig nach alten Plänen und Bildern erfolgt. Mittelalterliche Stadttore entlang des Kais bieten Durchgänge zu den Gassen der Altstadt mit ihren Pflasterstraßen, eine idyllischer als die andere. Wie die Heilige-Geist-Gasse mit einer Reihe von zierlichen Fassaden bürgerlicher Wohnhäuser mit höherliegenden Eingängen und Terrassen davor, den typischen Danziger Beischlägen, einst als Schutz gegen Hochwasser angelegt. Die breiten Stiegen sind oft mit wuchtigen Blumentrögen geschmückt und muten wie kleine Vorgärten an.

Dutzende Läden für Bernsteinschmuck reihen sich entlang der Frauengasse aneinander. Das Bernstein-Museum befindet sich seit dem Vorjahr in der restaurierten Großen Mühle in der Altstadt. Am Ende der Frauengasse ragt die Marienkirche in den Himmel, eine der größten mittelalterlichen Backsteinkirchen der Welt. Die astronomische Uhr aus dem 16. Jahrhundert hat die Kriegswirren überdauert.

Danzig: Die sich erneuernde Ostseestadt

Die astronomische Uhr in der Marienkirche

Eine wahre Allianz von prächtigen Herrschaftshäusern und dem Rathaus mit seinem spitz aufragenden Turm, ursprünglich im 14. und 15. Jahrhundert errichtet, prägt den Langen Markt, die Hauptstraße im Zentrum. Jede Fassade ist anders gestaltet, mit Treppengiebel, Simsen und Figuren verschiedener Allegorien. Sie bilden nach dem Wiederaufbau ein harmonisches Ganzes, erfüllt mit pulsierendem Leben vor den Geschäften und in den Lokalen.

Gaukler und Goldwasser

Straßenmusikanten und Gaukler passen gut dazu. Es ist dämmrig geworden, ein Clown treibt kunstvolle Ketten von großen Seifenblasen über den Langen Markt, eine stimmungsvolle Szene vor dem Grünen Tor, beim Durchgang zur Mottlau.

Anreise
Per Bahn in rund 10,5 Stunden von Wien nach Danzig, oebb.at

Unterkünfte
DZ in gutem Hotel: 250–350 Zloty (ca. 65–92 €) pro Nacht
Hoteltipp: Mercure Gdansk Stare Miasto, 10 Min. Fußweg vom Bahnhof, schöner Blick auf Altstadt und Kräne der Werft, all.accor.com

Restaurant
Gdański Bowke, an der Langen Brücke, von Einheimischen gern besucht, Brot und Teigtaschen aus eigener Küche, gdanskibowke.com

Stadtführer
Darko Naduk: darko22@tlen.pl

Museen
Europäisches Solidarność-Zentrum, am Werft-Eingang, tägl. (außer Di.) von 10–17 Uhr, ecs.gda.pl
Maritimes Museum, auf der Ołowianka-Insel gegenüber dem Krantor, Geschichte der Seefahrt, davor das Museumsschiff SS Soldek, nmm.pl

Auskunft
polen.travel/de-at

Beim Abendessen in einem der urigen Lokale entlang der „Langen Brücke“, wie die Promenade entlang des Flusses genannt wird, kann Typisches aus der Danziger Küche probiert werden. Wie Piroggen (Teigtaschen mit Fleisch, Sauerkraut oder Käse gefüllt) oder eine große Auswahl an Gerichten mit Fischen, frisch aus der Ostsee gefangen.

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Piroggen gefüllt mit Fleisch oder vegetarisch-vegan

Auch die Jugend schätzt die heimelige Atmosphäre, Danzig ist eine Studentenstadt. So genießt man als Besucher den Abend unter fröhlichen Einheimischen, kommt mit einigen ins Gespräch und zieht gemeinsam ein paar Lokale weiter – um in einer Bar Goldwasser zu verkosten: Gewürzlikör mit darin schwebenden Goldblattflocken. Das alles ist sehr verlockend, so schmeckt Danzig!

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