Sport, Entertainment und Kulinarik – alles an einem Fleck und all-inclusive. Wie sich das Konzept Cluburlaub gewandelt und Klischees überwunden hat, zeigt der Aldiana Club in Kalabrien.
Es muss Ende der 1980er-Jahre gewesen sein, da spielte Jens Lassen in dem Clubhotel, in dem er in diesem Sommer arbeitete, im Theaterstück „My Fair Lady“ mit. Der Stöckel vom Schuh seiner Kollegin brach ab, sie stürzte ihm direkt in die Arme, beide fielen zu Boden, blieben in verfänglicher Pose liegen. Das Publikum brüllte vor Lachen, erinnert er sich. Heute gäbe es für so ein Hoppala vielleicht verschämtes Lächeln.
Jens Lassen („Gerne nur Jens!“) war damals in seinen Zwanzigern und Tennislehrer auf Ibiza. Heute ist er General Manager des Aldiana Clubs im süditalienischen Kalabrien. Und heute, weiß er, geht es im Cluburlaub nicht mehr nur um „Gaudi und Halligalli“. Die Zeiten, in denen Animateure mit Megafon durch die Reihen am Pool marschieren und die Gäste von den Liegen kippen, von „Ringelpiez mit Anfassen“ und Dauerbeschallung bei hundertfünfzig Dezibel am Strand, sind vorbei.
Der Gast will sich erholen, er will gut wohnen und essen – und er will etwas erleben. Er will beim Spaß begleitet und nicht dazu gezwungen werden.
Die Clubs sind heute luxuriöse Anlagen. Ange-fangen hat aber alles mit einem einfachen Zeltlager auf Mallorca im Jahr 1950, das der Belgier Gérard Blitz errichtete und es „Club Méditerranée“ nannte. 1970 entstand der erste Robinson Club auf den Kanaren, 1973 der ersten Aldiana Club im Senegal. Das Konzept – Sport, Entertainment und „All-inclusive“-Verpflegung – zielte zu Beginn vor allem auf deutsche Gäste ab.
Die Unterkünfte waren spartanisch eingerichtet, erst in den 2000ern gab es die ersten Fernseher in den Zimmern. Brauchte auch niemand, draußen war ja genug los. Untertags machten die Gäste gemeinsam Sport und andere spaßige Aktivitäten, abends wurde gemeinsam an Achter-Tischen von Platten gegessen, nachts gemeinsam gefeiert.
Kulinarik und Ausstattung sind qualitativ hochwertiger geworden. Jens bemerkt auch dadurch einen Wandel: Die Bars sind abends nicht mehr so voll, viele sitzen lieber mit einer Flasche Wein auf der eigenen Terrasse. Und weil sich von den prall gefüllten Buffets jeder selbst bedient, ist das Abendessen ein Kommen und Gehen geworden. Und dennoch: „Gemeinsam“ war und ist das Stichwort im Clubhotel, das sich damit deutlich von der anonymen Hotelburg unterscheidet.
Welchen Typ spricht diese Art des Urlaubs an? „Wer Urlaub in einem Club macht, möchte gerne andere kennenlernen. Er ist gesellig, offen für Neues und genießt es, die Auswahl zu haben“, sagt General Manager Jens. Und Jens ist der Typ, der es liebt, dort zu arbeiten. „Ich bin wirklich so, ich spiel’ das nicht“, sagt er.
Klischee
Laut Statistik des deutschen Reiseveranstalters Aldiana ist der durchschnittliche Cluburlauber zwischen fünfunddreißig und fünfundfünfzig Jahre alt, gehört zur oberen Mittelschicht und ist meist verheiratet, wobei der Anteil an Geschiedenen steigt. Das Urlaubskonzept – das stellte sich recht früh heraus – eignet sich besonders gut für Singles mit Kindern. Logisch: Während der Nachwuchs im Kids’ Club bespaßt wird, haben die Mamas und die Papas Zeit für sich. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Apropos: Das Klischee des Animateurs, der weibliche Gäste abschleppt bzw. sich abschleppen lässt – ist da was dran? Jens (Ex-Tennislehrer, Sie erinnern sich) lächelt milde. Die Hotelleitung sieht das nicht gerne, sagt er, offiziell ist es untersagt.
Neues entdecken
Der Aldiana Club Calabria hat 2019, im Sommer vor Corona, eröffnet. Zum Areal gehören eine Wellnesslandschaft mit Sauna („Die größte seit den Römern“, scherzt Jens), ein Kino und mehrere verschiedene Sportplätze. Jedes Jahr kommt etwas Neues dazu, wer also schon immer einmal eine neue Trendsportart ausprobieren wollte, dürfte fündig werden.
Hier wird noch ein Spezifikum des Cluburlaubs deutlich: Wer alles hat, muss nicht raus. Gerade in Kalabrien, im Süden Italiens, bietet es sich aber an, ein Auto zu mieten und die Gegend zu erkunden, oder an einem der organisierten Tagesausflüge teilzunehmen.
Nicht weit vom Aldiana Club entfernt liegt das Bergdorf Civita, das 450 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Von hier aus starten Wanderungen durch den Pollino Nationalpark inklusive Teufelsbrücke, die sich über eine gewaltige Schlucht spannt.
Die Atmosphäre im Dorf: authentisch. Unbeeindruckt von den Touristengruppen sitzt eine Gruppe alter Männer auf Plastikstühlen im Schatten, der Espresso im Café am Ortsplatz zieht einem Schuhe aus und ein korpulenter Italiener verkauft mitten auf der Straße Käse aus seinem klapprigen Lieferwagen.
Etwas weiter südlich befindet sich Rossano, ein malerisches Städtchen oberhalb der Küste. In der Trattoria „La Bizantina“ lässt es sich bei Sonnenuntergang mit einem Glas Wein gut aushalten, dazu werden reichhaltige Platten mit regionalen Spezialitäten serviert.
Wo urlaubt jemand wie Jens privat – einer, der seit mehr als dreißig Jahren überall dort arbeitet, wo andere Urlaub machen? „Maximal zwei Flugstunden von zu Hause weg“, sagt er. Und dann in einem Appartement, wo der gebürtige Hanseate selbst für seine Familie kocht. In Ruhe, ohne viele Menschen um sich herum.
Klimafreundliche Anreise
Im Sommer bietet Austrian Airlines Direktflüge nach Lamezia Terme an (mittwochs und samstags). Wer den CO2-Ausstoß kompensieren möchte, zahlt dafür 7 €
Hotel
Der 90.000 Quadratmeter große Aldiana Club Calabria in Villapiana Scalo (Provinz Cosenza) hat 2019 eröffnet. Package: 7 Nächte für 2 P. im DZ, all-inclusive, ab 1.692 € im Mai, ab 2.070 € im Juni. Mehr Infos auf www.aldiana.at oder in jedem Reisebüro mit Aldiana-Vertretung
Ausflüge
Kalabrien gilt als Italiens Sonnenregion am Ionischen Meer. Die größte Stadt Reggio Calabria liegt an der Küste und hat u. a. das Museo Archeologico Nazionale als Ausflugsziel im Angebot. In Rossano gibt es die weltweit bekannte Lakritze-Fabrik Amarelli: (amarelli.it/de). Das Bergdorf Civita eignet sich für Wanderungen, etwa über die „Ponte del Diavolo“
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