B'soffene G'schichten im Advent

Der Weihnachtsmann macht blau: Im Advent ist übermäßiger Alkoholkonsum ein Thema
Der Nachtbusfahrer, die Taxlerin, der Polizist und zwei Würstelstandler über alkoholisierte Kundschaft zur Weihnachtszeit.
Von Uwe Mauch

Die lustige Zeit ist angebrochen: In den ersten 23 Dezembertagen schließt analog zum Adventkalender eine Weihnachtsfeier an die nächste an. Wer dort kein "Glaserl" trinkt, läuft immer noch Gefahr, als Spaßbremse oder Gesundheitsapostel im schallenden Gelächter der lieben Freunde, Verwandten und Kollegen unterzugehen. Ist das Warten auf den Heiligen Abend endlich vorbei, wird vor und unter dem Christbaum munter oder auch still und heimlich weitergetrunken. Dann ist es auch nicht mehr sehr weit bis zur Faschingszeit.

Alles nur Klischee? Hm. Fragen Sie einmal die Dame im Taxi, die beiden Herren vom Würstelstand in Wien-Ottakring, den Nachtbusfahrer der Wiener Linien oder auch den Chefinspektor der Wiener Polizei. Die unfreiwilligen Experten für Alkoholismus in der Öffentlichkeit geben folgende Beobachtungen zu Protokoll: Die Zahl der alkoholisierten Autofahrer hat aufgrund der strengen Kontrollen abgenommen. Deswegen wird aber nicht weniger getrunken.

Das Spektrum der Alkoholisierten reicht heute von volltrunkenen 14-jährigen Mädchen, die mit Schuhen in der Hand zum Nachtbus wanken, über grölende Würstelstand-Besucher, die bereits auf einem Adventmarkt karitativ aktiv waren und Fahrgäste, die im Taxi zu unangenehmen Mitfahrern werden. Bis hin zu leichtsinnigen Autofahrern, die zu später Stunde um ihren Führerschein bangen – mehr als um das Leben anderer. Lustig ist das nie.

"Wenn heute einer zum Taxistand wankt, bediene ich sofort die Zentralverriegelung ." Angela Tresper, die seit bald vierzig Jahren als Taxifahrerin ihr Geld verdient, hat gute Gründe für ihre erhöhte Sensibilität. Sie erklärt, dass sie aus Fehlern gelernt hat. The Dark Side of the Dezembernacht: sie möchte uns übelste Eindrücke davon möglichst ersparen. Stattdessen sagt sie nur: Schlimmer als "Wiederempfohlenes" und verlorene Hopfen- und Malzreste von Biertrinkern auf den Teppichen ihres Taxis sind Betrunkene, die einschlafen und dann nur mit Mühe aus dem Wagen zu bringen sind. "Dabei versuche ich eh immer, die Angeheiterten möglichst lange bei Laune zu halten."

Angst hat sie nicht, Respekt schon: "Wenn einer lustig ist, bin ich für jeden Spaß zu haben. Wenn einer aggressiv wird, bin ich sofort hellhörig." Zu viel ist Kollegen schon passiert. Als Frau ist sie im eins zu eins nicht im Vorteil. Dass Menschen wie sie Frustrationen ausbaden müssen, daran hat sie sich im Laufe der Jahre gewöhnt. Da stimmt sie dem Verkehrspolizisten zu: "Das ist Teil unseres Jobs."

Rein äußerlich lassen sich die beiden wenig anmerken. Dennoch haben Heinz und Thomas Blaser – Vater und Sohn, die gemeinsam auf dem Brunnenmarkt in Wien-Ottakring einen Würstelstand führen – wenig Freude, wenn wieder einmal einer vom Weihnachtsmarkt um die Ecke biegt und so laut grölt, dass alle an ihrem Stand sofort unangenehm berührt sind.

Der Vater: "Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Aber unsere Gäste haben mit den B’soffenen natürlich keine Freud’." Der Sohn: "Oft muss man ums Geld streiten oder sogar der Zeche hinterherlaufen." Weil der Alkohol auch das Kurzeitgedächtnis arg vernebelt.

Unterschiedlich reagieren die Beiden, wenn Angeheiterte um einen Nachschlag bittet. Der Senior ist bei Stammkunden kulanter: "Einen Spritzer kriegt er noch, aber nur einen." Der Junior kennt kein Pardon: "Essen ja, trinken nein." Zum einen müsse man manchen Trinker vor sich selbst schützen, zum anderen geht es auch ums Geschäft: "Ich hab nix davon, wenn er mir meine Gäste vertreibt."

Angepöbelt wurde er noch nie, unwürdige nächtliche Schauspiele hat er hingegen schon oft erlebt, berichtet Johann Weinkirn, der Busse der Wiener Linien durch den Süden und das Zentrum von Wien lenkt. Der Berufschauffeur kennt seine Pappenheimer: Wenn einer jungen Discobraut im Nachtbus "die Nacht aus dem Gesicht fällt", hängt es davon ab, wohin diese Nacht fällt.

Der schlimmste Fall für die Fahrgäste: "Bei Rutschgefahr muss ich den Bus sofort in die Garage bringen. Das bedeutet für unsere Kunden eine lange Wartezeit." Der schlimmste Fall für ihn: "Wenn sich das Malheur irgendwo am Rand abgespielt hat und zu keiner argen Geruchsbelästigung führt, kann man es abdecken. Das eine oder andere Mal habe ich auch schon selbst Hand anlegen müssen."

Ab und zu fragt sich auch ein guter Geist wie Johann Weinkirn, womit er das bittere Ende der Vergnügungsgesellschaft verdient hat. Ärgste Alk-Nächte sind jene auf Samstag und Sonntag: "Da steppt der Bär." Da sind Obdachlose, die regulär mit Zeitkarten im Bus übernachten, noch das geringste Problem.

Faktum ist, dass seine Kollegen und er in der Vorweihnachtszeit mehr Überstunden machen als in den anderen Monaten. Dennoch will Michael Wassermann, seines Zeichens Chefinspektor und Angehöriger der Landesverkehrsabteilung Wien, der künstlich erzeugten Hysterie entgegentreten. Seiner Beobachtung nach wird in einer lauen Julinacht deutlich mehr gebechert als in einer kalten Dezembernacht.

"Früher waren mehr Lenker schwer alkoholisiert", so der Verkehrspolizist mit 33 Jahren Berufserfahrung. Bei Schwerpunkt-Kontrollen seiner Abteilung wurden bis zu 18 Alko-Lenker angetroffen. Heute kommt es vor, dass er in einer Nacht keinen Betrunkenen stoppt. Die Punschmärkte sind aus Sicht von Wassermann weniger das Problem. Das enge Kontrollnetz zeigt Wirkung. Wer trinken will, fährt mit dem Taxi oder den Öffis heim. Brisant sind weiterhin Weihnachtsfeiern: Je länger sie dauern desto höher der Spiegel der Unbelehrbaren. Spannend wird es für die Polizei, wenn ein Alko-Lenker davonbraust: "Man will ihn dann schon aus dem Verkehr ziehen."

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