Wolfgang Joop und die ungute alte Zeit
Die internationale Modeszene kommt nicht zur Ruhe. Nachdem Anfang des Jahres Missbrauchsvorwürfe gegen US-Designer Alexander Wang laut geworden waren, redete sich am Wochenende Wolfgang Joop in einem Spiegel-Interview um Kopf und Kragen.
Für seine provokanten Äußerungen entschuldigte sich der deutsche Modemacher vor einigen Tagen auf seinem Instagram-Profil. „Meine Aussage bezüglich der Sünde in der Modewelt war im Kontext deplatziert“, schrieb der 77-Jährige und betonte, „jegliche Form von Machtmissbrauch und Gewalt“ zutiefst abzulehnen.
Twitter-Aufschrei
Das Interview hatte zuvor einen Shitstorm in den sozialen Medien entfacht, die deutsche Politikerin Katrin Langensiepen etwa bezeichnete die Wortwahl als „Verherrlichung von Gewalt und Demütigung von Frauen“.
Joop hatte in dem Nachrichtenmagazin der Modewelt der 1970er- und 80er-Jahre nachgetrauert, die „so wunderbar frivol und frigide war“. Alles sei käuflich gewesen, schwärmte er: „Die Agenturen gaben die Schlüssel zu den Zimmern der Models, die nicht so viel Geld brachten, an reiche Männer. Und wenn sich ein Mädchen beschwerte, hieß es: Wir können auch auf dich verzichten.“ Auf Nachfrage des Spiegel stimmte er zwar zu, dass dies fürchterlich sei. Nachsatz: „Aber wirklich schön ist die Modewelt nur, wenn es auch die Sünde gibt.“
#MeToo-Bewegung in der Modeindustrie
Die Joopsche Glorifizierung der „guten, alten Mode(l)ära“ fällt auf fruchtbaren Boden: Die Aufarbeitung der #MeToo-Bewegung ist auch in der Modeindustrie in vollem Gange, immer wieder werden Vorwürfe gegen namhafte Designer, Agenten und Fotografen laut. Derzeit sorgt etwa das Buch von US-Model Emily Ratajkowski für Aufsehen, in dem sie von toxischen Machtverhältnissen hinter der Glamour-Fassade berichtet. Unter anderem sei sie als blutjunges Model von einem Fotografen nach einem Shooting sexuell missbraucht worden, so die 30-Jährige.
Wolfgang Joop wird heute 77 Jahre alt. Er wuchs auf dem Bauernhof seiner Großeltern in Potsdam auf und arbeitete in den 1970ern zunächst als Modejournalist, eher er 1982 seine erste Damenkollektion präsentierte.
Joop zählt – neben Jil Sander und Karl Lagerfeld – zu den erfolgreichsten Modeschöpfern Deutschlands. Seine Labels Joop! und Wunderkind hat er inzwischen verkauft. Joop hat zwei erwachsene Töchter mit seiner Ex-Frau, 2013 hat er sich mit Edwin Lemberg verpartnert.
Seit 2019 ist Joop für Van Laack als Kreativdesigner tätig. Er engagiert sich unter anderem für Opfer von Kinderpornografie.
Schwarze Schafe
Die Aufmerksamkeit, die Stars wie Ratajkowski durch ihre öffentlichen Schilderungen erlangen, helfe, die Branche zum Besseren zu verändert, sagt Roberta Manganelli. Anfang der 1990er gründete sie Stella Models, heute eine der bekanntesten heimischen Modelagenturen.
Die Aussagen Wolfgang Joops seien „gerade für einen Designer seines Alters und seiner Erfahrung unnötig“ gewesen, sagt die Italienerin. „Ich denke, er hat sich kurz in eine falsche Romantik verwirrt.“ Situationen wie die von ihm geschilderte habe es natürlich gegeben, erzählt sie. „Gerade in Zeiten, in denen die großen Märkte wie Paris und New York etwa durch den Fall des Eisernen Vorhangs von jungen Frauen aus den osteuropäischen Ländern überflutet waren. Leider gab es wie in jedem Business auch schwarze Schafe.“
Zuletzt hätten etwa neue Regelkataloge, mehr weibliche Agenturchefinnen und gesellschaftliche Debatten wie #MeToo die Bedingungen für Models verbessert.
Auch er bedauere, dass „der missbräuchliche Umgang mit Models“ ein Teil der Vergangenheit war, schrieb Joop in seinem Statement. Schließlich stehe ein respektvoller Umgang für ihn in und außerhalb der Branche „an erster Stelle“ .
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