Grandiose Urgroßmutter: Gelassenheit im Kinderzimmer
Geduldig sieht sie ihren beiden Urenkerln zu, wie sich diese – sagen wir einmal – nicht hochkonzentiert ihre Jacken anziehen. Das Schauspiel amüsiert sie. Die "Urli" ist heute die Ruhe in Person. "Doch das war nicht immer so", gibt Angelika Docekal Lidarik, 62, ehrlich zu. "Bei meiner Tochter musste das Anziehen immer schnell-schnell gehen, und bei meiner Enkeltochter auch noch ziemlich schnell."
Raphael, 4, und Lucas, 3, haben jedenfalls einen "Karl" mit ihrer Urgroßmutter. Über jeden kleinen Lausbubenstreich kann sie herzlich lachen. Vieles dürfen sie ausprobieren, ein böses Wort gibt es (fast) nie.
Ruhe im Ruhestand
Die erfahrene Krankenschwester ist seit gut einem Jahr in Pension. Das hat zumindest ihr Zeitgefühl verändert. Als sehr junge Mutter hatte sie nicht so viel Ruhe. Der Countdown lief an jedem Morgen – aufstehen, waschen, anziehen und raus in die Welt mit dem Kind! Generationen von Eltern kennen dieses Hamsterrad zu gut. Die Uhr fordert immer eines: Gemma, gemma!
Wie viel mehr Gelassenheit erlaubt der Ruhestand – die nimmermüden Ur-Enkelbuben bearbeiten nun mit ihrer täuschend echt aussehenden Spielzeugbohrmaschine freudvoll und lautstark den Wohnzimmertisch der "Urli". Nur zu! Es kann eh nix kaputt gehen. Sagt sie. Und irgendwann werden sie sich wieder an anderen Dingen des Lebens erfreuen.
Angelika Docekal Lidarik hat das ihren Eltern nie vergessen: Dass sie ihr nach der Geburt ihrer eigenen Tochter immer den Rücken freigehalten haben: "Dadurch konnte ich meine Krankenschwesterausbildung fertigmachen und zu arbeiten beginnen." Nicht vergessen hat sie die Schuldgefühle als Mutter. "Dabei hat mir meine Tochter nie einen Vorwurf gemacht."
Vier Generationen
Beim Oma- und Uroma-Dienst hat sie in jedem Fall das Gefühl, "meiner Tochter und meiner Enkeltochter ein wenig von jener Zeit zu geben, die ich als junge Frau verwehren musste".
Schön findet die "Urli" auch das Zusammentreffen von vier Generationen: "Du kannst von jeder Generation etwas lernen." Von ihren Urenkelsöhnen lernt sie, wie angst- und vorurteilsfrei man an neue Situationen herangehen kann. Umgekehrt will sie ihnen vermitteln, dass viele Annehmlichkeiten nicht selbstverständlich sind: "Beim Einkaufen dürfen sie sich bei mir immer nur ein schönes Stück aussuchen. Mehr geht nicht."
Und immer wieder zieht es Raphael und Lucas in den Tiergarten Schönbrunn. Wo sie den Tieren so lange zusehen dürfen, wie sie wollen. Das Schöne für die "Urli" ist auch: "Am Ende kann ich sie wieder abgeben."
Kommentare