Der Trend war schon lange sichtbar, wie Studienautorin Johanna Willmann weiß: „Doch in der Pandemie – also während der vergangenen zwei Jahre – hat sich so viel getan wie in den 30 Jahren zuvor nicht: Freizeit wird wichtiger als Arbeit.“ (Grafik oben). Nur bei den Jungen unter 25 gibt es den gegenteiligen Trend, was daran liegen mag, dass sie erst ins Arbeitsleben einsteigen.
Der neue Trend des „Quiet Quitting“ – Menschen tun im Job ihre Pflicht, aber auch nicht mehr – lässt sich aus den Daten nur bedingt herauslesen. „Was sich schon zeigt, ist, dass es den Österreicherinnen und Österreichern in der Krise weniger wichtig wurde, im Beruf selbstständig arbeiten zu können und Verantwortung zu tragen. Dafür wurde die gute Bezahlung umso wichtiger“, sagt Willmann. Bei Geringverdienern war das schon vor der Krise so, jetzt ist auch für Besserverdiener das Geld ein wichtiger werdendes Kriterium.
Für Studienautor Christian Friesl ist der Befund angesichts der Unsicherheiten wenig verwunderlich. „Die Frage ist, ob sich das nach der Krise noch ändern wird.“
Dass Menschen Arbeit nicht mehr ganz so wichtig nehmen, sei ein Phänomen, das Arbeitgeber schon länger beobachten, weiß Friesl. „Das haben wir bisher eher bei Jüngeren beobachtet. Offenbar hat diese Generation die Beispiele ihrer Eltern vor Augen, die sehr viel gearbeitet haben. Das wollen sie nicht und ziehen daraus ihre Konsequenzen. Aber nicht nur sie: Durch die Krisen folgen Ältere den Jungen da offensichtlich nach.“
Partnerschaft: Hausarbeit ist nicht nur Frauensache
Die Mutter, die gleichzeitig Job, Kinder und Haushalt schupft – jeder kennt wohl ein Beispiel einer Frau, die die Pandemie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit brachte.
Doch wo waren in diesem Moment die Männer? So manchem wurde wohl zum ersten Mal bewusst, dass Haushalt und Kindererziehung viel Arbeit ist. „Da gab es in den Familien sicher Diskussionen, die dazu beigetragen haben, dass Männer und Frauen das bisherige Familienleben hinterfragt haben“, sagt Studienautorin Sylvia Kritzinger.
Dass man sich die Hausarbeit teilt, befürwortet im Jahr 2021 eine größere Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher als das vor der Pandemie der Fall war (siehe Grafik oben). Wobei Sylvia Kritzinger die Euphorie etwas dämpfen möchte: „Wenn jemand glaubt, dass es so sein sollte, heißt es noch lange nicht, dass es dann in der Tat auch so ist. Das wissen wir aus der Feminismusforschung.“
Der Trend zu mehr Gleichberechtigung im privaten Bereich lässt sich allerdings auch in anderen Bereichen ablesen. So sehen es immer weniger als Aufgabe des Mannes, Geld zu verdienen, während die Frau für die Familie zuständig ist. Und besonders junge Menschen sind nicht der Ansicht, dass die Kinder leiden, wenn die Mutter berufstätig ist.
Nicht viel verändert hat sich hingegen bei der Frage, ob Männer bessere Führungskräfte in Wirtschaft und Politik sind. Dieser Aussage stimmen unverändert rund 20 Prozent zu.
Politik: Das Interesse steigt, das Misstrauen ebenso
Die Corona-Demos waren nur die Spitze des Eisbergs. Die Pandemie hat offensichtlich vor allem Menschen, die sich politisch als rechts einstufen, politisiert. So hat jeder Zweite in dieser Gruppe schon an einer Demo gegen Corona-Maßnahmen teilgenommen oder kann es sich zumindest vorstellen.
Das Interesse an Politik steigt also, gleichzeitig wächst die Unzufriedenheit mit dem politischen System massiv: Nur noch 40 Prozent sind damit zufrieden (s. Grafik). Für Studienautorin Sylvia Kritzinger eine dramatische Zahl: „Wir haben uns die Daten weiter zurückkehrend in der Zweiten Republik angeschaut, aber mit diesen Werten sind wir in einer neuen Kategorie angelangt.“
Die Unzufriedenheit erklärt sie sich so: „Da gibt es auf der einen Seite die Vorstellung der Menschen, dass Demokratie etwas ist, das sie gut finden – gleichzeitig nehmen sie persönliche Einschränkungen wahr. Das ist eine Diskrepanz zwischen dem, was sie glauben, dass Demokratie bedeutet, und dem was sie erleben.“
Das hat Auswirkungen auf das Vertrauen in öffentliche Institutionen. Parlament, Rechtssystem, aber auch Presse und die Kirchen müssen starke Vertrauensverluste hinnehmen.
Ganz anders sieht das bei den Organisationen aus, die in der Pandemie einen wichtigen Beitrag geleistet haben, etwa das Gesundheitssystem oder das Bundesheer, das etwa in Teststraßen oder Altersheim eingesetzt wurde.
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