Depressive Stimmungen
Die Beschwerden machen tendenziell depressiv, wie eine Untersuchung an 20 Spitälern in den USA zeigt. Dort müssen doppelt so vielen Patienten mit Long Covid Antidepressiva verschrieben werden als Personen, die an Covid erkrankt sind und sich schnell erholen. Mit Long Covid steigen depressive Verstimmung signifikant an. Vor der drastischen Folge - einem Suizid - warnen nun sogar US-Mediziner.
Long Covid und Selbstmordgedanken
"Ich bin mir sicher, dass Covid mit Selbstmordgedanken, Selbstmordversuchen, Selbstmordplänen und dem Risiko eines Selbstmordtodes in Verbindung gebracht werden kann. Wir haben nur einfach noch keine epidemiologischen Daten, die das bestätigen“, so Leo Sher, Psychiater am Mount Sinai Health System in New York.
Tatsächlich gibt es keine Daten zur Suizidhäufigkeit von Long-Covid-Patienten. Mehrere Wissenschaftler von Organisationen, darunter die US-amerikanischen National Institutes of Health und die britische Datenerfassungsbehörde, beginnen nun aber damit, einen möglichen Zusammenhang zu untersuchen, nachdem es Hinweise auf vermehrte Fälle von Depressionen und Selbstmordgedanken bei Menschen mit Long Covid sowie eine wachsende Zahl bekannter Todesfälle gegeben hat.
Verändert Virus das Gehirn?
Die Schlüsselfrage dabei: Erhöht sich möglicherweise das Suizidrisiko bei Patienten, weil das Virus die Gehirnbiologie verändert? Oder bringen die Gesundheitsprobleme an sich die Patienten zu Selbstmordgedanken? Dazu kommt auch noch der Faktor Arbeitslosigkeit und damit finanzielle Existenzängste durch eine schwerwiegende chronische Erkrankung.
Sher erklärt, dass starke Schmerzzustände ein sehr starker Prädiktor für Selbstmord seien, ebenso wie Entzündungen im Gehirn, die mehrere Studien mit Long Covid in Verbindung gebracht haben. "Wir sollten das ernst nehmen“, so der Psychiater laut Reuters Health.
"Riesiges Problem"
In vielen Entwicklungsländern gibt es überhaupt keine Daten zu Long Covid, macht Murad Khan, Psychiatrieprofessor an der Aga Khan University in Karachi, Pakistan, aufmerksam. Er ist Teil einer internationalen Expertengruppe, die das mit Corona verbundene Selbstmordrisiko erforscht. "Wir haben ein riesiges Problem, aber wir kennen das Ausmaß des Problems nicht“, sagt Kahn.
Während sich viele Corona-Infizierte schnell erholen, leiden laut dem Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der University of Washington nach zwölf Monaten noch etwa 15 Prozent an Symptomen. Es gibt bislang keine bewährte Behandlung, viele Betroffene sind seit ihrer Virus-Infektion arbeitsunfähig. 150 Millionen Menschen weltweit sind von Long Covid betroffen.
Forschung bündeln
Damit die Erkrankung besser erforscht wird, haben sich nun einige namhafte Wissenschaftler unter der Institution "Long Covid Research Initiative“ zusammengetan, um Kräfte in der Forschung zu bündeln. Das Geld – 15 Millionen Dollar - stammt zu Beginn von Vitalik Buterin, Mitbegründer der Blockchain-Plattform Ethereum.
Hinweise auf Virus im Gewebe
Offenbar deuten Studien daraufhin, dass sich bei Betroffenen Viren im Körpergewebe eingenistet haben, die weiterhin eine Reaktion des Immunsystems hervorrufen.
Vor allem antivirale Medikamente (wie Paxlovid) sollen nun in der Forschung zum Einsatz kommen, um mögliche Virennester zu beseitigen. "Antivirale Medikamente sind unser wichtigstes Ziel für klinische Studien“, so die Studienleiterin.
Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.
Das neue österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.
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