Ukrainische Tiktokerin: Wir lassen uns unseren Humor nicht nehmen
Die Videos hat sie in einem Luftschutzkeller in der Stadt Tschernihiw nördlich von Kiew gedreht. Mit Augenzwinkern und voller Unterstützung ihrer Mutter. Sie wurden weltweit gesehen und geliked. Der Protest einer Zwanzigjährigen bekam weltweit viel Zuspruch.
In Wien präsentiert Valeria Shashenok nun die deutschsprachige Version ihres Buchs.
KURIER: Der Krieg dauert bald drei Monate an. Das wievielte Interview geben Sie heute?
Valeria Shashenok: Vielleicht das Hundertste? Zuvor waren CNN, BBC, Washington Post, La Repubblica oder auch El Pais.
Im belagerten Sarajevo haben die Menschen vor gut dreißig Jahren auch deshalb überlebt, weil sie sich ihren Humor nicht nehmen ließen. Können Sie noch lachen?
Ich kann noch lachen, aber nicht die ganze Zeit. Es ist der Horror. Wenn ich in den Nachrichten all die abgerissenen Hände und Beine von Menschen sehe, weine ich. Aber auch wir in der Ukraine lassen uns sicher nicht unseren Humor von diesem Putin nehmen.
Zum Teil verdanken Sie ihm aber Ihre weltweite Bekanntheit. Wie fühlt sich das an?
Also, das ist mir passiert, weil ich Videos für Tiktok gemacht habe. Es wäre besser, ich wäre heute nicht so bekannt, dafür aber in meiner Wohnung in der Ukraine, mit meinen Eltern. Unglücklicherweise kann ich die Aufmerksamkeit auch nicht genießen. Denn in meinem Land leiden die Menschen sehr an diesem Krieg.
Hat man eigentlich Ihre Videos aus dem Luftschutzkeller auch in Russland gesehen?
Ja, es gab auch von dort Zuspruch. Aber davon haben wir nichts, solange sie in ihrem Land still bleiben.
Eine russische Bombe hat Ihren Cousin Maksim getötet und seinem Vater ein Bein weggerissen. Ist für Sie Versöhnung mit Menschen aus Russland möglich?
Wenn jemand für Putins weißes Z ist, wenn eine Frau ihrem Mann in der Ukraine auffordert, alles zu stehlen, was er bekommen kann, dann ist Versöhnung nicht möglich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Freund in einem anderen Land Frauen vergewaltigt und fremdes Eigentum stiehlt.
Der TikTok Star aus dem ukrainischen Bunker
Wie geht es Ihren Eltern?
Sind okay. In unserer Stadt ist jetzt kein Krieg mehr. Wenn ich meine Mutter anrufe, sagt sie: Oh, Valeria, ich muss Kartoffel anbauen, habe so viele Blumen, muss einkaufen gehen, kochen, habe so viel zu tun.
Sie leben jetzt als Flüchtling in Mailand. Was ist Ihr Plan?
Ich habe keinen Plan. Als ich verstanden habe, dass Putin morgen Bomben auf die Ukraine werfen und Menschen töten kann, habe ich entschieden, maximal ein, zwei Wochen vorauszudenken. Andere planen zu studieren, eine Arbeit anzunehmen oder London zu besuchen. Mein Wunsch zurzeit? Dass Putin stirbt.
Wo sind Ihre Freunde?
Meine beste Freundin ist auch in Mailand, eine andere bei ihrem Freund in der Tschechischen Republik, die dritte in London. Die Burschen sind verstreut in der Ukraine. Denn sie dürfen das Land nicht verlassen.
Ist Ihre Generation stärker als Wladimir Putin?
Selbstverständlich, was für eine Frage! Putin ist ein Stück von Nichts. Wenn ich zum Beispiel sehe, wie die Männer meiner Generation unser Land verteidigen, dann bin ich schon sehr stolz. Unsere Generation ist in der Ukraine auch eine der stärksten, intelligentesten Generationen. Und sie war das schon vor Ausbruch des Kriegs.
Die Autorin: Valeria Shashenok wurde 2002 in Tschernihiw im Norden der Ukraine geboren. Heute hat eines ihrer TikTok-Videos mehr als
50 Millionen Views.
Ihr Buch: Wer nicht auf TikTok und/oder der englischen Sprache nicht mächtig ist, für den gibt es jetzt eine deutsche Version ihrer Texte. Das schmale Buch „24. Februar ... und der Himmel war nicht mehr blau“ ist bei story one erschienen und kostet 16 Euro .
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