Restitution: Auf dem Weg zur neuen „Ethik der Beziehungen“
Unrechtsbewusstsein zu schaffen, ist die eine Sache. Gerechte Strukturen zu entwickeln und sie in den Rechtssystemen verschiedenster Länder zu verankern, ist der zweite notwendige, doch ungleich zähere Prozess.
Doch auch wenn die Klagen nicht versiegen, dass die Restitution von Objekten, die unter kolonialen Bedingungen in westliche Sammlungen gelangt sind, zu schleppend verlaufe: Es tut sich einiges, auch in Österreich.
Hier arbeitet ein Expertengremium seit knapp einem Jahr daran, einen „einheitlichen, transparenten Prozess zu empfehlen, damit Leute, die etwas zurückhaben wollen, wissen, wie man das macht und was die einzelnen Schritte sind“, erklärt Jonathan Fine, Direktor des Weltmuseums Wien und mit der Leitung des Gremiums betraut. Bis zum Frühjahr 2023 soll ein Rahmen für Rückgaben ausformuliert sein. Er muss dann allerdings noch von der Politik umgesetzt werden.
Obwohl Österreich in der Debatte ein wenig das Image des Nachzüglers anhängt, wäre es mit einer solch ganzheitlichen „Policy“ international unter den Vorreitern, betont Fine.
Nicht nur Symbolfälle
Denn derzeit finden Rückgaben meist auf Basis von Einzelfällen statt: In Deutschland wurde etwa Ende Juni ein Abkommen mit Nigeria unterzeichnet, um die „bedingungslose Rückgabe“ von Benin-Bronzen zu ermöglichen; einige Objekte gingen sofort zurück. Der Kunstschatz, der im Rahmen einer sogenannten „Strafexpedition“ von britischen Soldaten 1897 geplündert und in der Folge in Sammlungen auf der ganzen Welt – auch in Wien – verteilt worden war, gilt als einer der prominentesten Wiedergutmachungsfälle der Kolonialgeschichte.
Nichtstaatlich organisierte Museen oder Universitäten tun sich mit Rückgaben leichter als Staaten, die die „Unveräußerlichkeit“ ihrer Sammlungen teils eisern festgeschrieben haben. Doch auch Frankreich rang sich 2020 zu einer Gesetzesänderung durch, die als ersten Schritt die Rückgabe von 27 Objekten ermöglichte.
Dabei war es Präsident Emmanuel Macron gewesen, der 2017 mit einer Rede in Burkina Faso die „Trendwende“ in der Debatte um koloniales Raubgut eingeläutet hatte. Ein in Folge beauftragter Bericht des Duos Bénédicte Savoy und Felwine Sarr forderte insgesamt eine „neue Ethik der Beziehungen“ ohne Machtgefälle ein. Denn oft wissen Herkunftsgesellschaften gar nicht, wo die Teile ihrer Identität und Erinnerung „weggesperrt“ wurden.
„Ich denke, es stärkt unsere Institutionen in Österreich nur, wenn wir damit klarer umgehen
und nicht versuchen, zu blocken“, bekräftigt Fine mit Hinweis auf aktuelle Forschungen. Doch auch in den Herkunftsländern selbst sei viel Organisationsarbeit zu leisten, bevor Objekte zurückgefordert werden können: „Man sieht, dass diese Dinge sehr viel länger dauern, als man es sich wünscht.“
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