Koloniales Erbe in Museen: Österreich setzt Expertenkommission ein
Es es ist derzeit vielleicht das meistdiskutierte Thema der internationalen Museumswelt: Wie sollen Institutionen mit Kunst und Kultgegenständen, aber auch mit naturwissenschaftlichen Proben oder menschlichen Gebeinen umgehen, die einst aus Kolonien "gesammelt" und ins Museum eingegliedert wurden?
Mit dem Plan zur Rückgabe spezifischer Objekte - vorrangig geht es derzeit um die so genannten "Benin-Bronzen" - hat Deutschland zuletzt Schlagzeilen gemacht. Auch zahlreiche Museen und Universitäten gaben schon Objekte zurück. Österreich setzt dem gegenüber auf ein ganzheitliches Vorgehen - und setzt zunächst eine Expertenkommission ein.
Sie soll bis zum Frühjahr 2023 einen Rahmen für den Umgang mit einschlägig belasteten Beständen erarbeiten und Empfehlungen für weiteres Handeln - und eventuell nötige neue Gesetzgebung - abgeben. "Es geht dabei nicht allein um den Umgang mit kolonialen Museumsbeständen, sondern in weiterer Folge auch um Fragen nach einer postkolonialen Museologie und Erinnerungskultur. Dass wir in die Tiefe, aber auch in die Breite gehen, ist mir bei diesem Thema wichtig“, wird Staatssekretärin Andrea Mayer dazu in einer Aussendung zitiert.
"Nicht nur Einzelfälle"
Den Eindruck, dass Österreich damit den Rückgabe-Initiativen in anderen Ländern hinterherhinke, versuchte Jonathan Fine, seit Juli 2021 Direktor des Weltmuseums Wien und nun auch Vorsitzender des Gremiums, am Mittwoch im Gespräch mit Journalisten vehement zu widerlegen. Heimische Expertinnen und Experten seien seit langem in das Thema involviert; insbesondere die Diskussion um die Benin-Bronzen wäre ohne Input aus Österreich gar nicht in heutiger Form denkbar.
Grundlegend gilt hier die Arbeit, die Barbara Plankensteiner, einst Kuratorin am (damals noch "Museum für Völkerkunde" genannten) Wiener Haus mit einer Benin-Schau 2007 leistete. Rund 200 Objekte aus dem einstigen Königreich Benin befinden sich laut Fine im Weltmuseum - rund 180 davon stehen in direktem Zusammenhang mit jener britischen "Strafexpedition" 1897, in der der einstige Königspalast in Edo (heute Nigeria) geplündert wurde. Dennoch spricht Fine beim prominenten Benin-Komplex von "Einzelfällen". "Eine systematische Herangehensweise gibt es noch nicht".
Die Mitglieder
Plankensteiner leitet heute das Museum am Rothenbaum in Hamburg - und ist ebenfalls Mitglied des neuen Gremiums. In diesem sitzen mit Golda Ha-Eiros vom Nationalmuseum Namibia und Emmanuel Kasarhérou, Präsident des Pariser Musée du Quai-Branly mit südpazifischer Herkunft, zwei Personen, die direkt mit so genannten "Herkunftsgesellschaften" in Verbindung stehen. Weitere Mitglieder sind die niederländische Kuratorin Henrietta Lidchi, Walter Sauer vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichteder Uni Wien, Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen in Basel/CH, die Direktorin des Naturhistorischen Museums Wien, Katrin Vohland, sowie der Jurist Miloš Vec.
In drei Phasen sollen nun alle "Stakeholder" eingebunden, Dialoge mit Herkunftsgesellschaften geführt werden - denn die Frage, was wem zurückgegeben werden soll, ist bei kolonialen Ursprüngen oft komplexer als bei der Rückgabe von NS-Raubkunst. Auch sollten Rückgaben nicht einseitig gönnerhaft verlaufen, befindet Fine: "Eine nicht-dialogische Haltung ist in kolonialen Kontexten oft ein Problem".
Um Rückgaben aus Bundesbeständen zu ermöglichen, müsste auch der Gesetzgeber aktiv werden - wie schon beim Kunstrückgabegesetz, das Restitutionen von Werken regelt, die im Zuge NS-Verfolgung entzogen wurden. Ein solches Gesetz sei "eine Möglichkeit", Vorgreifen kann und will Fine dem Prozess nicht. "Die Möglichkeit, in einzelnen Fällen zu handeln", bestehe für die Politik aber unabhängig vom nun aufgesetzten Prozess: "Das ist keine Verzögerungstaktik".
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