Reduktion fürs Hochgefühl: Macht uns Minimalismus glücklicher?
Weniger ist mehr – insbesondere, wenn es um unser Wohlbefinden geht. Zu diesem Schluss kommen Forschende der University of North Texas in einer neuen Studie. Unter der Leitung des Psychologe Joshua Hook haben sie untersucht, ob Minimalismus – also bewusster Verzicht einerseits und das Sich-Lösen von materiellem Überfluss andererseits – den Menschen wirklich glücklicher macht.
In den vergangenen Jahren hatten Forschungen zunehmend nahegelegt, "dass man mit Geld kein Glück kaufen kann", schreiben die Autorinnen und Autoren der aktuellen Erhebung im Journal of Positive Psychology. Und weiter: "Als Alternative zum verbrauchsintensiven Lebensstil, der einem in westlichen Kulturen häufig begegnet, umfasst Minimalismus einen Lebensstil, der darauf ausgerichtet ist, den Konsum und den Überfluss im eigenen Leben zu reduzieren, um sich wieder auf individuelle Werte zu fokussieren."
Meta-Analyse
Um den Zusammenhang zwischen Minimalismus und Glücksempfinden besser zu verstehen, durchleuchtete Hook und zusammen mit seinem Team bestehende Literatur nach einschlägigen, bereits veröffentlichten Studien. Sie wurden fündig: In Summe stießen sie auf 23 Studien, die sich mit den psychologischen Effekten der Einfachheit es Seins auseinandersetzen. Anschließend untersuchten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter, wie viele der Studien die Hypothese stützen, dass Minimalismus mit einem gesteigerten Wohlbefinden einhergeht.
Es zeigte sich, dass unter den quantitativen Studien (Datenerhebung zur statistischen Prüfung wissenschaftlicher Annahmen) über 80 Prozent einen Zusammenhang zwischen einem Leben mit weniger Besitz und gesteigerter Zufriedenheit berichteten. In einer Studie aus dem Jahr 2005 unter der Leitung des Sozialpsychologen Kirk Brown von der University of Rochester wurde beispielsweise die psychische Verfassung von 200 Minimalisten mit 200 Kontrollprobanden verglichen. Man stellte fest, dass sich die freiwilligen Anhänger des Reduktionismus tatsächlich wohler fühlten.
In den qualitativen Studien (Interviews, Gruppengespräche oder qualitative Beobachtungsmethoden) zum Thema wurde noch häufiger ein Zusammenhang zwischen minimalistischer Lebensweise und Wohlbefinden festgestellt.
Stabile Datenlage
"Insgesamt fand die große Mehrheit der Studien einen positiven Zusammenhang zwischen freiwilliger Einfachheit und Wohlbefinden", summieren die Forscherinnen und Forscher der University of North Texas. "Dieses Ergebnis war größtenteils konsistent, unabhängig davon, wie freiwillig gewählte Einfachheit und Wohlbefinden gemessen wurden, und es war auch konsistent über quantitative und qualitative Forschungsdesigns hinweg."
Die Autorinnen und Autoren vermuten, dass der Zusammenhang zwischen Minimalismus und psychologischem Wohlbefinden damit zusammenhängt, dass Minimalisten ihre Konsumwünsche besser kontrollieren können. Platz fürs Wesentliche zu Schaffen und sich vom Überfluss zu distanzieren könnte Menschen auch dazu ermutigen, sich auf seelische Bedürfnisse zu konzentrieren, was wiederum nachweislich das emotionale Wachstum fördern kann.
Allerdings zeigte sich unterm Strich, dass Minimalismus nicht bei allen Menschen sein volles Potenzial entfaltet. So fanden sie beispielsweise Hinweise darauf, dass die Beziehung zwischen Minimalismus und Wohlbefinden bei Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern mit geringem Einkommen und höherem Alter stärker ist. Eine Studie aus dem Jahr 2012 ergab, dass Minimalismus bei Menschen mit niedrigem Einkommen mit einer höheren Lebenszufriedenheit verbunden war – bei Probandinnen und Probanden mit hohem Einkommen war das nicht der Fall.
Wenig ist genug
Die Autorinnen und Autoren hoffen, dass ihre Forschungsergebnisse Menschen dazu inspirieren, den "Weniger ist mehr"-Ansatz in ihr Leben zu integrieren. "Ich denke, diese Forschung wirkt der allgemeinen Tendenz in unserer Gesellschaft entgegen, immer mehr zu wollen", kommentiert Hook die Studie. "Es ist eine der größten Lügen, der wir auf den Leim gehen können, dass wir einfach mehr Geld, mehr materiellen Besitz und mehr von was auch immer brauchen, um glücklich zu sein. Das funktioniert in der Regel nicht. Stattdessen denke ich, dass wir über andere Wege nachdenken müssen, um unser Glück zu steigern – und ein einfacheres Leben könnte etwas sein, das wir ausprobieren sollten."
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