Jugendliche sehen sämtliche Aufgaben rund um Haushalt und Familie in gemeinsamer Verantwortung von Mann und Frau. Es geht den 16- bis 20-Jährigen nicht nur darum, wie und welche Aufgaben zu Hause aufgeteilt werden, sondern auch welche Werte damit verbunden sind. Hier antworten die Jungen nämlich, dass auch "die Familiendynamik und die Liebe" nicht vergessen werden darf.
Geserick fragte nach, was sie anders als ihre Eltern machen wollen: Es geht um eine faire Aufgabenteilung, gute Paarkommunikation, Integration der Kinder in die Aufgabenerledigung und die Abkehr von einer geschlechtertypischen Rollenaufteilung. Das betrifft sowohl die Mutter- als auch die Vaterrolle. So fielen oft die Sätze: "Meine Mutter hat alles alleine gemacht, ich möchte das aufteilen." Oder: "Ich möchte öfter für meine Kinder da sein, als es mein Vater für mich war."
Kinder oder Pension
Auch wenn Jugendliche ein harmonisches Familienleben betonen, reicht dies für tatsächliche Gleichberechtigung nicht aus: "Liebe ist nicht gerade ein Motor für eine gerechte Arbeitsaufteilung. Genau genommen bewirkt die Liebe das Gegenteil, wie wir gesehen haben: Wer sich geliebt fühlt, ist eher bereit, eine unfaire Verteilung in Kauf zu nehmen."
Am unzufriedensten sind Paare mit Kindern. Wenn die Kinder jung sind, haben diese Paare zudem die meisten Konflikte wegen der Arbeitsaufteilung im Vergleich zu allen anderen Haushalten. Die Aufteilung kann sich im Laufe der Beziehung freilich verändern. Als "Gamechanger" wird die Pension genannt – in diesem Lebensabschnitt werden die Aufgaben wieder neu verteilt.
KURIER: Wieso braucht es noch eine Haushaltsstudie?
Christine Geserick: Ein neuer Aspekt der Studie ist, dass wir nicht nur die Praxis der Arbeitsaufteilung angeschaut haben, sondern der Tatsache auf den Grund gehen, warum die Zufriedenheit mit der Aufteilung relativ hoch ist wie schon aus früheren Studien bekannt, obwohl sie nicht fair ist – und zwar auch in der subjektiven Wahrnehmung der Befragten. 90 Prozent der Befragten sind zufrieden mit ihrer Arbeitsteilung, aber 20 Prozent meinen, dass sie eigentlich nicht gerecht ist. Wir haben also mit statistischen Modellen versucht nachzuzeichnen, wieso Menschen offenbar gut mit einer unfairen Verteilung klarkommen – die sie sogar als solche erkennen. Dabei zeigt sich, dass eine ungerechte Verteilung vor allem dann unzufrieden macht, wenn dieser Gerechtigkeitsanspruch überhaupt besteht. Das heißt umgekehrt, dass es für manche einfach nicht sehr wichtig ist, dass beide zu gleichen Teilen die anfallenden Haushaltstätigkeiten erledigen. Hier spielt noch etwas eine Rolle, was wir in er Soziologie "emotionale Tauschgüter" nennen, nämlich Zuwendung und Aufmerksamkeit. Wir können im statistischen Modell zeigen, dass Aufmerksamkeiten dazu beitragen, dass man mit einer als unfair empfundenen Arbeitsaufteilung zufriedener ist. Dieser Zusammenhang gilt dabei besonders für Frauen.
Was hat Sie am meisten überrascht?
Mich hat überrascht, dass es immer noch eine hohe Zustimmung bezüglich geschlechtertypischen Kompetenzen gibt, dass man also davon ausgeht, dass Männer und Frauen etwas "besonders gut" können, nur weil sie das entsprechende Geschlecht haben. Immerhin stimmen 71,4 Prozent der Befragten dem Statement zu, dass es "Dinge gibt, die Frauen besser erledigen können und solche, die Männer besser erledigen können". Diese Überzeugung ist unter den Älteren ab 65 Jahre noch weiter verbreitet (fast 90 Prozent) als unter den Jugendlichen (57 Prozent). Es tut sich also immerhin etwas.
Außerdem: Es ist nur ein Detail, aber soziologisch finde ich sehr interessant, dass das Wäschewaschen scheinbar eine Tätigkeit ist, die nicht nur in heterosexuellen Partnerschaften, sondern auch in schwulen und lesbischen Partnerschaften viel häufiger von nur einer Person erledigt wird – statt dass man sich die Arbeit teilt oder beide dafür zuständig sind. Das ist deshalb interessant, weil man das bislang immer mit Geschlechterrollen erklärt hat: das Wäschewaschen ist als "typisch weibliche" Tätigkeit bekannt, auch kulturhistorisch kann man das schön nachzeichnen, etwa am Beruf der Waschfrauen. Jetzt sehen wir aber, dass auch dort, wo es keine zwei Geschlechter gibt, also in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die Wäsche häufig nur eine Person macht. Warum das so ist, wissen wir nicht genau, aber wir sehen, dass der Faktor "Geschlecht" offenbar nicht immer der entscheidende ist, um die paarinterne Arbeitsteilung zu erklären.
Heutige Jugendliche sehen eine gemeinsame Verantwortlichkeit von Mann und Frau: Ist diese Denkweise neu oder hat sich das schon in den Generationen zuvor abgezeichnet?
Dass die Aufgaben im Haushalt nicht nur "Frauensache" sein sollten, ist ein Anspruch, der schon länger besteht, und der sich besonders stark ab Ende der 1960er-Jahre im Zuge der Frauenbewegung etabliert hat. Aber wir haben Jahrzehnte lang gesehen, dass subjektive Einstellung und subjektives Handeln nicht unbedingt dasselbe sind. Wer Gleichberechtigung besonders gut findet, muss nicht derjenige sein, dem sie im eigenen Alltag besonders gut gelingt. Trotzdem stimmt auch, dass sich ganz langsam etwas ändert: Sowohl der Anspruch einer gemeinsamen Verantwortlichkeit wie auch deren Umsetzung ist in jüngeren Generationen stärker ausgeprägt. So berichten beispielsweise 18- bis 55-jährige Paare häufiger als Paare ab 65 Jahre von einer gemeinsamen Zuständigkeit für das Essenkochen (43 Prozent vs. 25 Prozent) oder für das Wäschewaschen (31 Prozent vs. 11 Prozent).
Spannend ist, dass Jugendliche auch die Familiendynamik und die Liebe betonen: Könnte mit dieser Generation tatsächlich die Gleichstellung von Mann und Frau erreicht werden?
Liebe ist nicht gerade ein Motor für eine gerechte Arbeitsaufteilung in Partnerschaften. Genaugenommen bewirkt die romantische Liebe nämlich genau das Gegenteil, denn wie wir gesehen haben: Wer sich geliebt fühlt, ist eher bereit, eine unfaire Verteilung in Kauf zu nehmen. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass die Entstehung der Bürgerlichen Kleinfamilie mit ihrer geschlechtertypischen Arbeitsteilung zeitgeschichtlich zusammenfällt mit der Erstarkung des romantischen Liebesideals.
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