Zu befürchten sei, dass "Bestrebungen, Väter in Karenz zu bringen, verebben". Großeltern, denen das Setzen von Grenzen ohnehin schwerfalle, wenn es um die Enkel geht, könnten "dazu gedrängt werden, sich an der Kinderbetreuung zu beteiligen".
Wenn in Erziehungsfragen Uneinigkeit herrscht
Wenn Großeltern fix ins Betreuungssystem – und damit in die Erziehung – eingebunden sind, berge das Friktionspotenzial: "In Familien, wo man sich beim Thema Erziehung einig ist, und die jetzigen Mütter und Väter ihre eigene Erziehung als geglückt ansehen, kann so ein System schon funktionieren."
Selbst unter diesen Voraussetzungen könne sich an kleineren Meinungsverschiedenheiten Streit entzünden: "Wenn Oma und Opa hin und wieder, in den Ferien vielleicht etwas länger, auf das Kind schauen, kann man darüber hinwegsehen, wenn es bei ihnen mehr Süßes essen darf oder dauernd beschäftig wird." Sind Großeltern 40 Stunden oder mehr verantwortlich, "wird das Kind so erzogen, wie sie es für richtig halten".
Davon, dass Großeltern schon im ersten Lebensjahr des Kindes in Karenz gehen, hält Dechel nichts. "In den ersten zwölf Monaten ist es wichtig, dass ein Kind von Mutter und Vater Liebe und Geborgenheit erfährt."
Zu streng, zu nachgiebig?
Klassische Grenzüberschreitungen von Großeltern, die Müttern und Vätern besonders sauer aufstoßen, fallen in zwei Bereiche: "Zum einen geht es um die Art und Weise, wie Großeltern die Erziehung anlegen – zu streng oder zu nachgiebig. Zum anderen geht es um die Ernährung. Viele Eltern achten auf eine gesunde, zuckerarme, teils vegetarische Ernährung – da spielen Oma und Opa nicht immer mit."
Dass Großeltern die Enkelkinder ab und an verhätschelnd viele Freiheiten gönnen, sei nicht zwingend ein Problem: "Kinder können – umso besser, je älter die werden – gut differenzieren, von wem sie welches Verhalten erwarten können und welche Bezugsperson, wo Grenzen setzt." So würden sich Kinder auch im Kindergarten und der Schule an den dort gelebten Regeln orientieren.
Nicht selten heißt es: "Früher hat man das auch so gemacht, hat ja nicht geschadet." Ein heikles Totschlagargument, findet Dechel: "Hier können Eltern-Kind-Konflikte aufbrechen, wenn Mütter und Väter in die Konfrontation mit ihren Eltern gehen und ihnen vor Augen führen, wo doch schlechte Gefühle ausgelöst wurden. Alternativ könnte man den Ärger hinunterschlucken."
Achtsam ehrlich sein
Dechel plädiert für das Aussprechen der Wahrheit, "aber unbedingt wertschätzend". Ein wichtiger Baustein, um Reibereien ohne Kränkungen aus dem Weg zu räumen: "Toleranz und Kommunikation." Appelle an das großelterliche Verhalten formuliert man am besten als Bitte und nicht als Befehl. Auch gute, verständliche Erklärungen, warum man sich dieses oder jenes wünscht, helfen.
Noch wesentlicher sei, dass Eltern für die Unterstützungsleistung dankbar sind. Wichtig ist, dass stets der Elternteil, um dessen Eltern es geht, das Gespräch führt: "Bei solchen Gesprächen sollte man 'im System bleiben'. Es geht immer auch um die Beziehung zu den eigenen Eltern." Und: Mutter und Vater sollten sich im Vorhinein einig sein, was an Oma und Opa herangetragen wird.
Dechel mahnt auch zur Nachsicht: "Natürlich ist es sehr wichtig, dass Großeltern liebevoll und zugewandt mit dem Kind umgehen. Wenn ihnen die Grundprinzipien moderner, bedürfnisorientierter Erziehung noch nicht ganz in Fleisch und Blut übergegangen sind, sollte man das aber nicht überbewerten."
Was tun, wenn das andere Extrem der Fall ist – die Großeltern sich zurückziehen? "Dann ist zu akzeptieren, dass die eigenen Erwartungen in diesem Punkt enttäuscht wurden. Man kann das Thema ansprechen, Wünsche aussprechen. Aber, wenn die Antwort 'Nein' bleibt, ist das so anzunehmen."
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