Weil die Kinder im Vorhinein nicht wissen, dass sie auf Menschen mit Behinderungen treffen, treten Berührungsängste erst gar nicht auf – im Gegenteil: Es ist eine faszinierende Welt, in der die Buben und Mädchen eintauchen und von der sie sich auch gerne verzaubern lassen. So wie an diesem Morgen, als die Kinder ein neue Sprache entdecken dürfen – die Gebärdensprache.
Und sie haben alle gut aufgepasst: Jedes Kind kann am Ende seinen Namen buchstabieren. Dass das Buchstabieren nicht immer nötig ist, erzählt Mario anhand seiner Geschichte: „Früher hatte ich ein Flinserl über dem Auge, an dem ich immer gezupft habe. Wenn sich jetzt jemand in der Gebärdensprache mit der Hand am Auge zupft, weiß ich, dass ich gemeint bin.“ So wird er zum Beispiel auch von Franz, dem gehörlosen Künstler gerufen, der mit den Kindern durch den Turnsaal tanzt. „Versucht, einander nicht zu berühren“, fordern die Künstler die Kinder auf.
Franz und Mario tanzen natürlich mit – und alle lernen so, auf den anderen zu achten und Rücksicht zu nehmen.
Dass Franz gehörlos ist, ist für die Kinder dabei nichts, was für sie erwähnenswert wäre – er ist ganz selbstverständlicher Teil der Gruppe. Und genau das ist das Ziel von Mellow Yellow: Die Behinderung sollte im Miteinander keine Rolle spielen, alle begegnen sich auf Augenhöhe.
Mit ihrer Aktion erreichen die Künstlerinnen und Künstler das auch. Die 2B ist nämlich nicht die erste und einzige Klasse, die einen Tag mit Mellow Yellow verbringen darf. Neun von zwölf der Volksschulklassen in Felixdorf, das nahe Wiener Neustadt liegt, hatten einen Projekttag.
Die Klasse 4A kann sich noch besonders an einen jungen Mann im Rollstuhl erinnern. „Ich dachte anfangs, er sei traurig, weil er nicht gehen kann“, erinnert sich ein Mädchen an die Begegnung. „Doch bald merkte ich, dass er ganz glücklich ist.“ Der erste Gedanke ihres Mitschülers war hingegen: „Schade, der kann so gar nicht Fußballspielen.“
Heute weiß der Bub: Das geht. „Die Kinder sind sehr kreativ darin, solche Probleme zu lösen“, erzählt die Direktorin. Sie hatte einst in ihrer Klasse einen Buben, der im Rollstuhl saß: „Der war dann immer im Tor“, erzählt sie den Schülerinnen und Schülern.
Erfreulich: Es gibt so gut wie kein Kind, dem das Projekt nicht gefallen hat. Mehr noch: „Am liebsten würde ich das nächste Woche gleich wieder machen“, sagt etwa Emma aus der 2B.
Und die Kinder hätten kein Problem damit, wenn in ihrer Klasse ein Kind mit Behinderung säße. „Wir könnten ja einen Sessel aus dem Zimmer nehmen, damit das Kind mit seinem Rollstuhl am Tisch sitzen kann“, schlägt einer der Volksschüler vor.
Wenn die Kinder über das Projekt sprechen, dann fällt ihnen vor allem ein, dass sie in der Mittagspause mit den Künstlerinnen und Künstlern Pizza gegessen haben, oder wie lustig das Tanzen war – die jeweilige Behinderung ist nicht das Thema. Und das, obwohl sie in ihrem Alltag bisher keinen Kontakt zu Menschen im Rollstuhl hatten. Außer vielleicht zur Oma, „aber die ist schon alt“.
Für Andrea Horvath, Lehrerin der 2B, ist klar: „Der direkte Kontakt mit Menschen mit Behinderungen kann Vorurteilen vorbeugen und für Kinder prägend sein. Auch ich, obwohl ich persönlich schon sehr sensibilisiert für das Thema Inklusion bin, war positiv überrascht wie harmonisch unser Workshop heute abgelaufen ist.“ Und die Direktorin hält „den zeitgemäßen, selbstverständlichen Umgang mit Diversität für eine der wichtigsten Kompetenzen, die jeder Mensch so früh wie möglich erwerben sollte.“
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