"Früher haben sie Fußball gespielt, jetzt gehen sie ins Fitnessstudio“
Der Schweiß fließt wieder – vor allem bei den Jungen. Waren es vor der Pandemie vorrangig ältere Menschen, die Österreichs Fitnessstudios einen Schub brachten, pilgern heute immer mehr Jugendliche zum Fitnesstraining. Der Anteil der unter 18-Jährigen bei den Neuanmeldungen im Discount-Segment lag im Jänner bei rund 15 Prozent. „Das ist sehr viel“, wie Christian Hörl, Branchensprecher in der Wirtschaftskammer Österreich, dem KURIER bestätigt.
Er erklärt die Zunahme damit, dass viele Sporteinrichtungen während der Pandemie geschlossen waren. Die Jungen hätten dadurch den Anschluss verloren: „Früher haben sie Fußball gespielt, jetzt gehen sie ins Fitnessstudio“, fasst Hörl zusammen. Aber auch Social Media und die dort beheimateten Fitnessinfluencer „sind ein großes Vorbild, dem die Jungen nacheifern – Männer und Frauen gleichermaßen“.
Muskeldysmorphie
Dabei habe die Fitnessbranche sehr verhalten reagiert, als sich die junge Berufsgruppe vor rund zehn Jahren etablierte. „Das wäre doch ein Risiko, wenn man diesen Leuten folgt, hieß es“, erinnert sich Hörl. „Aber alle erfolgreichen Fitnessinfluencer sprechen eigentlich sehr profund über das Thema.“ Wer sich am Markt durchsetzt, mache „einen sehr guten Job“.
Etwas kritischer sieht Alexander Tiesenhausen den Einfluss der sozialen Medien. Viele Jugendliche würden den Druck verspüren, dort einen perfekten Körper zu präsentieren. „Das ist natürlich extrem problematisch, da es das negative Vergleichen fördert und zu sehr viel Schaden bei Kindern und Jugendlichen führen kann“, erklärt der Sportwissenschafter und Psychologe.
So tritt Muskeldysmorphie – eine Störung des Selbstbilds, bei der sich Betroffene als zu dürr sehen und immer mehr Muskeln aufbauen wollen – besonders häufig bei jungen Männern auf. Ab wann Eltern deswegen besorgt sein sollten? „Ungesund wird es, wenn es eher ein Last, als ein Vergnügen ist. Wenn der Fokus sich nur mehr aufs Aussehen richtet“, weiß Tiesenhausen. Wenn alles dem Training geopfert wird, man sich nicht mehr ausgewogen ernährt oder Nahrungsergänzungsmittel im Übermaß einsetzt.
Aber auch „wenn noch keine Erfahrung vorliegt und dann unbeaufsichtigt trainiert wird. Hier kommen Jugendliche schnell in Versuchung, sich zu messen und möglichst viel Gewicht zu bewegen.“ Ganz grundsätzlich sehe er Krafttraining aber „überhaupt nicht negativ“. Ganz im Gegenteil: Richtig ausgeführt stärke es nicht nur die Muskulatur, „sondern alles, was damit zusammenhängt, wie die Knochen oder Sehnen“. Auch der psychische Aspekt, nämlich ein besseres Körpergefühl und ein gesundes Gespür für den Körper werde entwickelt, Disziplin und Selbstwert gefördert.
Body Positivity
Vom mancherorts heraufbeschworenen „Fitnesswahn“ möchte auch Branchensprecher Hörl nichts hören: „Das ist ein totaler Irrtum. Der Fitnesswahn, wenn man davon überhaupt sprechen kann, wiegt ja nicht mal im Ansatz den gesamten Mangel an Bewegung auf“, sagt er. Und betont: „Es ist wahrscheinlich die verletzungsfreieste Sportart die es gibt. Das langfristige gesundheitliche Risiko, das ich habe, wenn ich zu Hause auf der Couch mit dem Smartphone liege, ist viel größer.“
Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor zunehmender Bewegungsarmut – vor allem in jungen Jahren. Wie im Vorjahr veröffentlichte Daten zeigen, bewegen sich 71 Prozent der Buben zwischen elf und 17 Jahren in Österreich zu wenig. Bei den Mädchen sind es sogar 85 Prozent.
Hörl sieht dennoch einen positiven Trend zwischen den Geschlechtern: Die Neuanmeldungen im Fitnessstudio sind bei Mädchen und Burschen ausgeglichen. Und: „Mädchen treten heute viel selbstbewusster auf“, sagt er. Trends wie Body Acceptance und Body Positivity seien in den Studios allgegenwärtig. Infolge sei die Nachfrage nach reinen Frauenstudios stark gesunken. „Heute schämt sich niemand mehr, ins Fitnessstudio zu gehen!“
Krafttraining im Kindes- und Jugendalter wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Häufig wurde behauptet, dass das Training den Wachstumsfugen schaden könnte. Heute weiß man: Krafttraining kann bereits ab sieben bis acht Jahren betrieben werden. „Natürlich muss das mit leichten Gewichten und unter Aufsicht erfolgen“, wie Sportwissenschafter Alexander Tiesenhausen im KURIER-Gespräch erklärt. Ziel in diesem Alter sollte vor allem Spaß und das Erlernen von Bewegungen und der richtigen Technik sein.
Bei der Wahl der Gewichte, sollte man darauf achten, „es nicht zu übertreiben, sondern eine saubere Technik zu erlernen und sich langsam zu steigern“, so Tiesenhausen. Zudem sei Hanteltraining alleine zwar „auch sehr gesund und wesentlich besser, als sich nicht zu bewegen“. Für die allgemeine Gesundheit ist jedoch auch Ausdauertraining zu empfehlen, da es das Herz-Kreislauf-System auf eine andere Weise stärkt, plädiert der Experte.
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