Depp und die Folgen: „Geht hier nicht um den Kampf Mann gegen Frau“
Der Prozess ist zu Ende, die Debatte um seine Folgen hat gerade erst begonnen. Im Netz und von gewichtigen Medien wie New York Times oder Guardian wird Johnny Depp nach seinem Sieg vor Gericht zum Totengräber der #MeToo-Bewegung stilisiert, die 2017 mit den Vorwürfen gegen Harvey Weinstein Fahrt aufnahm. Als Reaktion auf den öffentlichen Prozess und seinen Ausgang hätten nun bereits Hunderte Überlebende von sexualisierter Gewalt ihre Klagen zurückgezogen, berichtet das Magazin Rolling Stone.
Fatale Botschaft
Das Urteil wird jedenfalls Folgen auf das gesellschaftliche Klima in Bezug auf häusliche Gewalt haben, glaubt auch Lyane Sautner, Vizepräsidentin des Opferhilfe-Einrichtung Weisser Ring. „Die Botschaft lautet vereinfacht: Es lohnt sich für Opfer von Gewalt nicht, sich als Opfer zu zeigen und die eigenen Rechte einzufordern. Man muss damit rechnen, am Ende auch noch finanziellen Schaden zu erleiden.“ Ähnlich kommentiert Bettina Zehetner von der Beratungsstelle Frauen beraten Frauen das Prozess-Ende. „Urteile, die Opfer von Gewalt beschuldigen, Unwahres zu sagen, tragen zu dieser patriarchalen Toleranz von Partnergewalt gegen Frauen bei – ein Schlag ins Gesicht für betroffene Frauen.“
Kritiker wiederum werfen Heard vor, der Glaubwürdigkeit von Vergewaltigungsopfern mit ihrem Verhalten vor Gericht mehr genutzt als geschadet zu haben. Die Debatte köchelt aktuell auch in Deutschland, wo dem bekannten Comedian Luke Mockridge von mehreren Frauen sexuelle Übergriffe vorgeworfen und bis dato nicht bewiesen wurden. Schon länger wird zudem die Notwendigkeit einer #MenToo-Bewegung diskutiert, die männliche Missbrauchsopfer in den Fokus rückt.
Gewalt dokumentieren
Jedenfalls sollte der Fall zum Anlass genommen werden, um das Thema körperliche Gewalt und deren Anzeige auf breiter Ebene zu besprechen, sagt die Familienrechtsanwältin Katharina Braun. „Hier geht es nicht um einen Kampf Mann gegen Frau, sondern um uns als Gesellschaft.“ Sie bedauert, dass im Zuge des Hollywood-Prozesses von einem Rückschlag der Frauenbewegung die Rede ist. „Es ist ein Grundprinzip eines Rechtsstaates, Anschuldigungen zu hinterfragen. Das hat nichts mit einer Täter-Opfer-Umkehr zu tun.“ Menschen sollen sich bewusst sein, dass bei Gericht Aussagen und Angaben überprüft werden. „Wenn Aussagen über Verletzungen mit den Fotos, welche diese zeigen sollen, nicht übereinstimmen, so ist dies natürlich der Glaubwürdigkeit nicht dienlich.“
Umso wichtiger sei es, bei körperlicher Gewalt sofort professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und Verletzungen dokumentieren zu lassen. „Nicht erst Wochen später. Es darf eben nicht auf das Geschlecht ankommen, wie ein Prozess ausgeht. Das wäre dann wirklich ein Rückschritt.“
Bettina Zehetner glaubt nicht an ein plötzliches Ende der Ära #MeToo. "Feministinnen haben längst gelernt, Backlashes zu kontern."
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