Gartlersorgen: Was Balkonien-Einsteiger wissen sollten
Gartendeutsch & Bodenersatz
Hobbygruppen verschanzen sich oft hinter Fachvokabeln, da sind Gartler nicht anders als Segler oder Modellbauer. Für den Balkonien-Einsteiger sind nur manche Grundbegriffe und Basisinformationen wichtig: Im Prinzip fehlt Topfpflanzen all das, was im Boden den ganzen Tag passiert – Regen zieht Versickerungskanäle, Würmer graben um, anderes Getier wälzt den Boden um. Diese Lockerheit muss man im Topf imitieren – durch manuelles Aufgraben oder Zugabe von luftigen Materialien wie Sand oder Ton oder Schafwolle in die Erde.
Neben der Erddichte sind Nährstoffe entscheidend: Pflanzen, die eher wenig brauchen, heißen „Schwachzehrer“, „Mittel-“ und „Starkzehrer“ erklärt sich von selbst. Nährstoff-Mangel zeigt sich an zu kleinen und hellgrünen Blättern, an schlechtem Wuchs und schlechter Wurzelbildung, klein bleibenden Früchten. Überversorgung führt zu dunklen Pflanzen und schwammigem Gewebe. Bei Starkzehrern (z.B. Paradeiser, Kürbis, Zucchini, Gurken, Paprika, Chili, Melanzani, Basilikum, Sellerie, Mais, Rhabarber, Spargel, Artischocke, Melone) kann man schon beim Eintopfen etwas Langzeitdünger dazumischen (z.B. Steinmehl, Kompost). Mittelzehrer (z.B. Karotten, Spinat, Kopfsalat, Rettich, Rote Rübe, Mangold, Fenchel, Pastinake, Knoblauch, Erdbeeren, Zwiebeln) kommen in normale Blumenerde und werden selten gedüngt. Schwachzehrer (z.B. Asiasalate, Rucola, Kresse, Feldsalat, Bohnen, Erbsen, die meisten Kräuter) brauchen nährstoffarme Erde und werden quasi nie gedüngt.
Im Gegensatz zur natürlichen „Erde“ sprechen Gartler oft von „Substrat“, das mit unterschiedlicher Nährstoffmenge abgemischt ist und im Verkauf erst recht wieder „Erde“ heißt: Aussaaterde ist nährstoffarm, weil sonst die Wurzeln der kleinen Pflanzen „verbrennen“. Jungpflanzenerde hat im Vergleich eine gröbere Struktur (für den Halt) und ist leicht aufgedüngt, Tomatenerde ist perfekt für alle Starkzehrer, Schwachzehrer brauchen Salat- oder Kräutererde.
Bei Pflanzgefäßen werden Balkonier gerne originell, von Gummistiefel bis Nachttopf. Alles ist erlaubt, solange das Wasser abfließen und die Pflanze sich artgerecht ausbreiten kann. Das Ding sollte robust genug für eine Saison sein. Zur Befüllung: Drainage-Schicht über dem Abzugsloch, dann Substrat bis fünf Zentimeter unter dem Rand.
Säulenobst bis mehrfach bepflanzen: vertikal & kreativ
Während einem Kräuter bei gutem Standort bis zu den Ohren rauswuchern, ist die Obst-Vollversorgung am Balkon unwahrscheinlich. Zumindest ein paar frische Früchte bringt Säulenobst – ein ungebrochener Trend. Eigentlich für kleine Gärten gedacht, lassen sich einige Sorten auch im Topf ziehen – mindestens 50 Liter Erde, im Bestfall Ost- oder Westlage. Es ist eine gute Idee, sich beraten zu lassen, wegen der Sortenwahl ebenso wie der Bestäubung und dem Schnitt. Im Winter muss man den Wurzelballen vor Frost schützen.
Auch einige Gemüse kann man hervorragend in die Höhe ziehen, Stichwort Ranken, die sich auch gut als Sichtschutz zum Nachbarn gegenüber eignen. Stangen- und Feuerbohnen (bis drei Meter) zählen ebenso dazu wie Wein (noch höher), Scheibengurken, manche Kürbissorten oder Kapuzinerkresse. Die Herausforderung liegt eher im Gerüst oder der Hilfe fürs Ranken – auf vielen Balkonen ist das Anbohren der Hausfassade verboten.
Die Wände selbst können auch berankt werden, noch besser eignet sich dafür der größte Balkon-Grün-Hype unserer Zeit: vertical gardening, vertikales Bepflanzen. Das Prinzip ist einfach: mehrere Etagen übereinander. Zugegeben, die Umsetzung ist nicht immer leicht, vom angesprochenen Bohrproblem bis zum nötigen Abstand zur Wand, damit sie nicht nass wird. Eine einfache Variante sind Petflaschen, die wie ein Mobile an Schnüren übereinander hängen. Oder ein altes Bücherregal aus beständigem Material. Oder Plastiksteigen versetzt aufeinander gestapelt – etliche Pflanzen brauchen nicht viel Platz nach oben und wachsen nach vorne raus. Großer Vorteil: Das Gießwasser rinnt durch alle Etagen der Vertikale.
Platzsparend ist auch, in einen Topf mit hohen Pflanzen etwas Niedriges dazu zu setzen: etwa Salate oder Radieschen unter Rankpflanzen oder Basilikum unter Paradeiser. In Zwischenräume passen auch oft Kräuter oder einjährige Blumen.
Lieblinge: Tomaten & Kräuter
Wer „Balkon“ sagt, sagt oft gleich „Paradeiser“ dazu. Das liegt am sichtbaren Erfolg der reifen Frucht, kaum ein Rot glänzt schöner. Und am intensiven Geschmack, den wir wegen der Flut an billigen Glashaus-Paradeisern nicht mehr gewohnt sind.
Ganz sicher liegt es auch daran, dass Paradeiser zwar manchmal heikel, aber doch einfach zu pflanzen sind – ein Topf, nährstoffreiche Erde und genug Wasser, das ist es. Wer brav fruchtlose Triebe ausbricht, die Pflanze immer befestigt und vollsonnig stellt, wird mit mehr Ertrag und Aroma belohnt, aber richtig misslingen wird das Projekt ohnehin nicht.
Da es in der Stadt wärmer ist, kann man schon zwei Wochen vor den Gartenbesitzern setzen, aber Achtung: Die junge Paradeiser mag Frost nicht. Bei der Auswahl sollte man bei kleinen Balkonen nach hochwachsenden Sorten fragen – wobei buschige Sorten mit kleinen Früchten oft weniger tiefe Töpfe brauchen. Ab 30 Liter Erde kann man sich sogar an die dicke Fleischtomate wagen.
Auf Platz zwei der Beliebtheit folgen die Kräuter. Die sind aus mehreren Gründen eine gute Idee: Sie sind nutzbar und meistens pflegeleicht. Sie ziehen Insekten an, duften und zeigen an, welche Pflanzen zu diesem Standort passen: Kleinblättrige Kräuter wie Rosmarin, Thymian, Currykraut oder Majoran mögen es zum Beispiel heiß und sonnig.
Wenn man es schafft, Basilikum nachhaltig zu betreuen, deutet das auf einen guten Platz für Halbschatten-Gewächse hin – das sind auch Zitronenmelisse, Minzen oder Liebstöckel. Im Schatten gedeihen Petersilie, Bärlauch oder Lauchzwiebel.
Ertränken, verdursten, Abstand einhalten: Fehler & Sorgen
Auch wenn es komisch klingt: Die meisten Kübelpflanzen sterben im Überfluss. Vor allem neigen Balkon-Anfänger zu übermäßigem Gießen. Am liebsten mögen Pflanzen, regelmäßig, aber in Dosen, mit Regenwasser direkt auf die Erde getränkt zu werden. Hilfreich sind möglichst große Pflanzgefäße und eine lockere Erdoberfläche mit etwas Mulch darauf. Wer Wasserspeicher ins Substrat einarbeitet (etwa Bims, Lava, Flachsschäben, Schafwollpellets) muss seltener an die Gießkanne, wer sich eine automatische Bewässerung installieren lässt, gar nicht. Am besten gießt man übrigens in der Früh.
Im verbauten Gebiet zieht oft der Wind durch, was Pflanzen nicht besonders mögen. Daher sollte man erstens heikle Pflanzen eher an die Wand stellen und zweitens besonders zarte Triebe sichern, oft helfen Rankgerüste (gut befestigen!). Pflanzen, die an sehr windexponierten Standorten stehen, brauchen viel Wasser, weil die Erde austrocknet.
Der ehrgeizige Balkonier verhindert Leerstände. Viele Gemüse sind schon im Mai oder Juni erntereif, im heißen Sommer ist der Anbau schwieriger. Aber ab dem Spätsommer können viele Flächen noch einmal genutzt werden, besonders Feld-/Vogerlsalat kann man einfach auf schon benutzte Erde ausbringen. Eine gute Pflanzfolge ist auch Frühkohlrabi – Buschtomate – Salat.
Es gibt gute und schlechtere Nachbarschaft, auch manche Pflanzen vertragen sich einfach nicht. Zum Beispiel Erbsen und Bohnen (weder nach- noch nebeneinander). Oder Petersilie und Salat, Gurken und Tomaten, Kohlrabi und rote Rübe.
Andere Pflanzen sind für den Balkon grundsätzlich nicht oder schlecht geeignet. Kohlgemüse wie Weißkraut, Rotkraut, Kohlrüben, Lauch/Porree, Mohn oder Karfiol reagieren auf Hitze (durch abstrahlende Gebäude) empfindlich, für Brokkoli braucht man extragroße Gefäße. Knollensellerie und -fenchel mögen Topfhaltung nicht besonders. Bohnen verlieren bei Hitze ihre Blüten und setzen keine Früchte mehr an. Chili und Paprika werfen bei zu niedriger Luftfeuchtigkeit ihre Früchte ab.
Richtiger Schatten, also gar keine direkte Sonne, ist ein Problem – kein Gemüse mag ihn. Aber manche kommen damit besser zurecht, dazu gehören vor allem Asiagemüse, Kresse, Pflücksalate und Radieschen. Wer viel Schatten hat, aber auch eine Liebe zu Speisepilzen, hat wiederum großes Glück – sie mögen Sonne nicht.
Nordbalkon bis Südterrasse: Licht & Schatten
Die Himmelsrichtung des Balkons kann man nicht ändern und sie gibt einiges bei der Bepflanzung vor. Aber es gibt Tricks: Südseitige Außenflächen kann man mit Strohrollos beschatten – zumindest an heißen Sommertagen. Oft fühlen sich lichtscheue Pflanzen auch im Schatten von weniger sonnenempfindlichen wohl, mit etwas Experimentieren erzeugt man so ein gutes Mikroklima.
Bekommt die Terrasse wenig Sonne ab, kann man Pflanzen an der Hausmauer postieren, die oft nachts noch Wärme abstrahlt. Übrigens reflektieren helle Flächen das Sonnenlicht gut, wodurch sogar Gewächse auf Nord-Balkonen genug davon bekommen können.
Zu den Sonnenanbetern gehören neben Paradeisern auch Paprika, Chili, Gurke, Melone, Melanzani, Zucchini, Erdbeeren und viele Duftpflanzen. Gemüse benötigt rund sechs Stunden direktes Sonnenlicht pro Tag, Blattgemüsen reichen vier.
Im Halbschatten fühlen sich Salate, Erbsen, Bohnen, Petersilie, Schnittlauch oder etwa Kohlrabi wohl, aber auch Primeln, Knollenbegonien, Taglilien, Glockenblumen – und viele Beeren.
Termine: Wo Hobbygärtner Ausgefallenes finden
Raritätenbörse: Von 13.–15. April öffnet der Botanische Garten der Uni Wien (9:30–18 Uhr) in der Mechelgasse/Praetoriusgasse, 1030 Wien. Geboten werden Rosen bis Wildblumen, Gemüsepflanzen bis Gehölze – und Tipps. 5 €.
Urban-Gardening-Workshop: Am 27. April veranstaltet die City Farm Schönbrunn (Seckendorff-Gudent-Weg 6, 1130 Wien) von 16–19 Uhr den Workshop „Gemüsevielfalt auf Balkon und Terrasse“; 45 €.
Pflanz-die-Vielfalt-Tage: Von 28.–30. April lädt die Arche Noah jeweils von 10–17 Uhr in ihren Schaugarten (Obere Straße 40, 3553 Schiltern). Regulärer Eintritt: 9 €. Es gibt Bio-Pflanzen zu kaufen, Beratung, Vorträge, Führungen und Workshops.
Bio-Jungpflanzenmarkt & Tauschmarkt: Am 1. Mai bieten die Mitglieder der Arche Noah in Schiltern ihre selbst gezogenen Pflanzen zum Tausch an: Gemüse-, Kräuter-, Obst- und Beerenraritäten. Eintritt 9 €.
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