Mehr als Käse: Warum die Schweiz halb Europa im Kleinen vereint
Das „Großmütterli“ wird gut verrührt, knusprig gebraten und dann mit Genuss verspeist. Vielleicht ist er charmant gemeint, der Brauch, am Topfboden eines geleerten Fondue-Topfes ein Ei aufzuschlagen und es mit den noch vorhandenen Käseresten zu einer Eierspeis-Variante zu braten. Der Name erschließt sich Nicht-Schweizern eher nicht. Macht aber nichts, es schmeckt jedenfalls, das „Großmütterli“.
Im „Buvette des Bains“ in Genf ist das nicht vorgesehen. Ist ja auch ein Restaurant, kein Privattisch. Das lässige Lokal gehört zum Badekomplex „Bains des Pâquis“, der wie ein eigener Kosmos direkt auf dem Genfer See mit Freizeitaktivitäten, Kulturveranstaltungen und Wellness Abwechslung bietet.
Die Karte wechselt saisonal, das Käsefondue gibt es allerdings immer. Es gilt als eines der besten; ein großer Raum mit gut dreißig auf langen Tischen verteilten Gasbrennern ist dafür reserviert. Die werden auch gebraucht, denn der Raum füllt sich jeden Abend schnell mit Gruppen, die sich um einen oder mehrere der typischen Keramiktöpfe (Caquelon) platzieren und Weißbrotstücke mit einer Gabel in den dickflüssigen, geschmolzenen Käse tauchen. Fachkundig muss dabei umgerührt werden, fällt das Brot in den Topf, ist ein Schnaps fällig.
Kein Nationalgericht
Dabei ist das Nationalgericht Fondue fast eine Ausnahme, die jeweilige regionale Küche dominiert. Eine kulinarische Reise durch die Schweiz fühlt sich daher wie durch halb Europa an. Auf kleinstem Raum mischen sich deutsche, französische und norditalienische Einflüsse.
Einen Hauch britische Lebensart haben zudem die einst am Genfer See urlaubenden Engländer im französisch geprägten Genf hinterlassen: Den klassischen Afternoon Tea, den man etwa im Luxushotel „Hotel d’Angleterre“ stilgerecht mit Etagere und geblümten Tassen zelebriert.
Angesagte Konzepte in Basel
Weniger traditionell, dafür umso angesagter sind die Gastro-Konzepte in Basel. Nicht nur Haute Cuisine in edlem Ambiente, etwa bei Sterneköchin Tanja Grandits in ihrem „Stucki“ oder bei Peter Knogl im „Cheval Blanc“, ist zu finden. Kleine Lokale und Cafés in Vierteln wie Spalenberg in der Altstadt oder Kleinbasel machen praktisch an jeder Ecke Gusto. Dazu kommen urbane Food Courts. Einen davon beherbergt die alte Markthalle mit ihrer historischen Kuppel, besonders zur Mittagszeit taucht man hier in die quirlige Atmosphäre der Küchen aus aller Welt ein. „Das Klara“ vereint ebenso internationale Küchen mit relaxter Atmosphäre – leger und unkompliziert.
Großer Pharma-Standort
Dass Basel ein gewichtiger Standort der Pharmaindustrie ist – die Hersteller Roche und Novartis residieren hier –, merkt man spätestens im Restaurant „Alchemist“: Alles ist hier Chemie! Da wird etwa ein Vierterl Wein im Reagenzglas serviert, jeder Cocktail, der zu den einzelnen Gerichten gereicht wird, wirkt dank „rauchendem“ Trockeneis wie frisch aus dem Chemielabor. Dazu werden viele Speisen in kleinen Schüsseln und Schalen serviert, auch hier blubbert manch Überraschendes, das die Tischgesellschaft nach Lust und Geschmack teilen kann. Ungewöhnliche Inszenierungen überall, vom Teller bis zur Einrichtung. Da werden Hühnerkeulen in Lavendelhonig-Marinade etwa zu „Lollipops“, Saisongemüse feurig, erdig oder wässrig gewürzt und Apfelkuchen oder Erdbeeren „dekonstruiert“.
Leckerly-Lebkuchen
Herumexperimentieren muss man hingegen bei „Jakob’s Basler Leckerly“ nach gut dreihundert Jahren nun wirklich nicht mehr. Noch immer besteht das Lebkuchenrezept aus nur acht Zutaten. Bei einer Verkostung in der ältesten, heute noch in der Stadt existierenden Leckerly-Manufaktur schmeckt man allerdings die Unterschiede des jeweiligen Zeitgeists heraus: Im 18. Jahrhundert enthielt das Rezept wenig Zucker, im 19. Jahrhundert mehr Honig und im 20. Jahrhundert wurde die Süße wieder reduziert, dafür wurden aber mehr Nüsse beigemischt.
Italien-Feeling im Tessin
Mit Nüssen weiß man auch in Lugano einiges herzustellen, etwa den regionalen Nussschnaps Nocino. Mit seinem italienischen Flair und dem mediterranen Klima öffnet sich im südlichen Kanton Tessin, nur drei Stunden Zugfahrt entfernt von Basel, ein weiteres kulinarisches Universum. Je nach Jahreszeit und Wünschen ihrer Kunden sucht Culinary-Guide Patrizia fünf bis sechs Orte pro Tour aus. Ohne Zeitdruck schlendert sie mit ihren Gruppen durch die sympathische Stadt, sie verkosten mal die typische Wurst „Lugani Ghetta“, mal den Käse „Blu Ticinese“.
Bei Dario Ranza im Restaurant „Ciani“ am See wird Risotto geordert. Mit gutem Grund. Er ist nicht nur Sterne-Koch, sein Risotto wurde als weltbestes mit einem Award ausgezeichnet. Sein Geheimnis der besonderen Cremigkeit? Parmesan und Butter rührt Ranza erst unter, nachdem er den gekochten Reis vom Herd genommen hat. „Sonst lässt die Butter Wasser, das Risotto wird dadurch weniger cremig.“ Schon allein für diesen Tipp muss man sich durch die Schweiz kosten.
Info
Klimafreundliche Anreise
Swiss Travel Pass (3 Tage ab ca. 232 €) für Zug, Bus, Boot und mehr; sbb.ch
Übernachten
– Genf: Hotel Bristol Geneva (2P./Nacht ab ca. 400 €), bristol.ch
– Basel: Nomad Design & Lifestyle Hotel (2P./Nacht ab 284 €), nomad.ch
– Lugano: Villa Sassa Hotel (2 P./Nacht ab 200 €), villasassa.ch
Tipps
– Genf: älteste Altstadt der Schweiz, site-archeologique.ch; Uhrenmuseum genevawatchtour.com, Rotes-Kreuz-Museum redcrossmuseum.ch
– Basel: Food Tour, 4 ungewöhnliche Lokalkonzepte, inkl. Verkostung
33 €/P., basel.com; Kunstmuseum Basel kunstmuseumbasel.com
– Lugano: Ausflüge in die malerischen Dörfer Morcote oder Gandria
Info
geneve.com; basel.com; luganoregion.com, MySwitzerland.com
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