Fischstäbchen & Co.: Warum uns Gerichte aus der Kindheit emotional machen

Fischstäbchen & Co.: Warum uns Gerichte aus der Kindheit emotional machen
Kindergerichte wie Fischstäbchen schmecken uns ein Leben lang. Warum Essen Emotionen auslöst und ihr Genuss heute ökologisch fragwürdig ist.

Die typisch österreichische Kindheit schmeckt nach Fisch. Also nicht wirklich. Der bis zur Unkenntlichkeit frittierte Dorsch ist beinahe geschmacksneutral. Die Panier umso gehaltvoller.

Fischstäbchen sind seit Jahrzehnten fixer Bestandteil jedes Kinderspeiseplans. Die Zubereitung ist simpel. Der Verzehr mangels Gräten ebenso. Jeder mag sie, zumindest ein bisschen. Kinder, weil sie handlich und paniert sind. Erwachsene, weil sie sie an ihre Kindheit erinnern.

Denn wir mögen, was wir kennen. „Unsere Geschmackspräferenzen formen sich bereits im Mutterleib“, sagt die Wiener Ernährungspsychologin Cornelia Fiechtl. Über das Fruchtwasser nimmt der Fötus die Aromen der mütterlichen Mahlzeiten auf. „Später ziehen wir dann das vor, was uns bekannt ist.“

Außerdem ist unser Geschmacksinn mit unseren Emotionen verknüpft. Und so fühlen wir uns geborgen, wenn wir Apfelstrudel mit Zimt essen, so wie ihn einst die Oma zubereitete. Oder eben Fischstäbchen mit Erdäpfelsalat, weil es die immer sonntags für die ganze Familie gab.

Ursprünglich wurden für Fischstäbchen Heringsfilets verwendet, heute landet meist Pazifischer Pollack unter der Panier. Sein Handelsname lautet Alaska Seelachs. Mit Lachs hat er nichts zu tun, er gehört zur Familie der Dorsche.

3.500 Tonnen Fischstäbchen aßen die Österreicher im Jahr 2019. Das meldete Iglo damals zum 60. Geburtstag des Produkts.

Wann genau das Fischstäbchen erfunden wurde, dazu gibt’s unterschiedliche Angaben. In Europa kam es 1955 als Erstes in Großbritannien auf den Markt.

8 Kilogramm Fisch: So viel  isst im Schnitt jeder Mensch in Österreich pro Jahr laut Agentur für Ernährungssicherheit. Rund sechs Prozent des konsumierten Fisches werden in Österreich produziert, der Rest wird importiert.

Wobei die Beilage eine Streitfrage ist. Es scheint ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Pommes frites, Erdäpfelpüree und -salat zu sein. Reis ist auch ein heißer Kandidat. Seltener auch Cremespinat. Ganz selten Chips. Wie ein User im Internetforum gutefrage.net schreibt, sei es angesichts des hohen Fettgehalts der Fischstäbchen nämlich „eh schon wurscht“. Und auch hier gilt: Wir präferieren die Beilage, die wir gewohnt sind.

Das erste Stäbchen

Vor knapp 70 Jahren kamen die ersten Fischstäbchen in Europa auf den Markt. Es war das US-amerikanische Unternehmen Birds Eye, das die Quader aus zwei Drittel Fisch und einem Drittel Panier 1955 in Großbritannien einführte. In Österreich wurden die ersten Fischstäbchen in den frühen 1960er-Jahren serviert. Und es ist eine Erfolgsgeschichte: Fischstäbchen sind das beliebteste Tiefkühlfischgericht. Dafür sorgt auch eine der bekanntesten Werbefiguren überhaupt – Käpt’n Iglo.

Angesichts von Überfischung und politischen Interessen (Russland überfischt die Ostsee zulasten der EU, der KURIER berichtete, Anm.) kann einem der Gusto heute allerdings vergehen.

Ob man als Konsument in der westlichen Welt überhaupt zu Meeresfisch greifen sollte, ist durchaus umstritten. Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd rät grundsätzlich davon ab, Tiere aus dem Meer zu essen. Die Naturschutzorganisation WWF hat einen Fischratgeber verfasst, in dem steht, zu welchem Fisch man greifen kann. Klar ist aber in jedem Fall, dass die Überfischung – etwa mit gigantischen Schleppnetzen – das Ökosystem der Meere extrem beschädigt hat und weiterhin bedroht. Ein Beispiel: Der Kabeljau beziehungsweise Dorsch gehört laut WWF Living Planet Report zu den großen Verlierern der vergangenen Jahre. Die Population ist zwischen 2000 und 2023 um 77 Prozent eingebrochen.

Fischstäbchen & Co.: Warum uns Gerichte aus der Kindheit emotional machen

Käpt'n Iglo erschien erstmals 1985 in Österreichs TV

Fischstäbchen sind übrigens zumeist aus Pazifischem Pollack hergestellt. Auf den Packungen findet sich oft der Name Alaska Seelachs oder Pazifischer Polardorsch. Er wird allerdings „nur“ vom Handel benutzt.

3,5 Millionen Tonnen dieses Tieres werden jährlich aus dem Meer gefischt. Damit ist der Fisch, laut Deutscher Stiftung Meeresschutz, auf Rang zwei der weltweit am meisten befischten Arten. Nummer 1 sind Sardellen.

Seinen ersten Auftritt hatte er 1967. Begleitet von einem Dutzend Kindern, der Bart  ein wenig zerzaust, das Bild natürlich schwarz-weiß. John Hewer war der erste Kapitän, der Fischstäbchen im TV bewarb. Allerdings als Captain Birds Eye, wie die Werbefigur in Großbritannien heißt. In Österreich ist Käpt’n Iglo seit 1985 auf den Bildschirmen. 

2018 wurde der Kapitän verjüngt und seither von Riccardo Acerbi verkörpert. Das Image: weniger Großvater, mehr George Clooney. In Italien, dem Geburtsland des Schauspielers, heißt die Figur übrigens Capitano Findus.   

In Großbritannien war Käpt’n Iglo sogar kurzzeitig eine Frau. 2020 war Captain Charlotte auf Tausenden Fischstäbchen-Packungen abgebildet. Die 
24-Jährige hatte einen Wettbewerb gewonnen.

Auch das deutsche Unternehmen Appel bewirbt seine Fischkonserven übrigens mit einem Seemann. Einen Rechtsstreit verlor Iglo.

Lieferketten

Was passiert, wenn die Fische einmal gefangen sind? Sie werden geköpft, und manche von ihnen werden tiefgefroren zur Fischstäbchen-Verarbeitung nach China gebracht, meldete die die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie vor einem Jahr. Dort werden sie filetiert und paniert. Bevor sie in Europa in den Tiefkühltruhen landen.

An Alternativen zu Fischstäbchen aus Meeresfisch wird übrigens längst gearbeitet. Forscher stellen Fischfleisch – und damit auch die Fischstäbchen – aus Fischzellen her. Im Handel finden sich zudem pflanzliche Alternativen – etwa aus Weizen oder Soja. Sie werden um ein Vielfaches umweltfreundlicher erzeugt, ergab eine Studie des WWF 2023.

Letztlich zählt ja vor allem die Panier. Und die richtige Beilage.

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