Russlands Raubzug in der Ostsee – für unsere Fischstäbchen
Ein paar Tonnen Hering mehr, ein paar Tonnen Kabeljau weniger: Wenn sich Europas Landwirtschaftsminister einmal pro Jahr über die Fangquoten in der Ostsee einigen, ist das ein Routineakt. Politisch brisanter sind da die Gespräche, die die Minister abseits der offiziellen Tagesordnung führen – und die drehten sich bei dem Treffen diese Woche vor allem um einen Staat, der natürlich nicht mit am Verhandlungstisch saß: Russland.
Russland ist eine Fischereigroßmacht. Seine Fischereiflotten kreuzen vor allem in den nördlichen Weltmeeren, etwa rund um Alaska, aber auch in der Ostsee, wo Russland ja ein Anrainerstaat ist. Fischerei in einem ohnehin von Überfischung und Umweltverschmutzung belasteten Meer wie der Ostsee ist ein Geschäft, das strenger Regeln bedarf, um die Fischbestände nicht endgültig kollabieren zu lassen.
Russland aber hält sich seit seinem Angriff auf die Ukraine an so gut wie keine dieser Regeln mehr.
Balten beschweren sich
Die russische Fangflotte holt sich bei einigen Fischarten inzwischen rücksichtslos den größten Teil des Bestandes in ihre Netze: So zumindest die Klagen, die auch bei diesem Ministertreffen vor allem von den Staaten im Baltikum, also Estland, Lettland und Litauen, zu hören waren. Eine der von diesen Raubzügen am meisten betroffenen Fischarten ist der Dorsch. Der wird in ganz Europa vor allem für die Produktion von Fischstäbchen verwendet: Der vom Geschmack her wenig bemerkenswerte Weißfisch eignet sich dafür besonders gut.
Wer auf seiner Fischstäbchen-Packung im heimischen Tiefkühlfach statt Dorsch die Bezeichnung "Alaska-Seelachs" entdeckt, sollte wissen, dass das biologisch eine irreführende Bezeichnung ist: Der Seelachs ist keineswegs ein Lachs, sondern gehört zu den Dorschen, und die werden eben nicht nur rund um Alaska, sondern auch in der Ostsee gefischt.
Sanktionen gegen Fischimporte aus Russland werden von anderen Fischerei-Nationen in der EU immer wieder gefordert, doch blockiert hat man bisher nur noble Meeresprodukte wie Kaviar oder Krebse. Lediglich die lange Zeit besonders niedrigen Zölle für russische Fischimporte wurden auf ein normales Niveau angehoben. Ein gänzlicher Verzicht auf russische Ware ist laut Experten ohnehin kaum möglich, vor allem nicht ohne spürbarer Preissteigerungen bei einem Massenprodukt auf Europas Kindertellern.
Käpt’n Iglo weicht aus
Fischstäbchen-Marktführer Iglo versucht – wie andere Marken auch – seit Kriegsbeginn, die Verwendung von Fisch aus Russland auf ein Minimum zu reduzieren. Man steigt auf Fisch aus den amerikanischen Gewässern rund um Alaska um und nimmt dafür die steigenden Kosten für den Dorsch alias "Seelachs" in Kauf.
Für Russland ist der Fischfang ohne Rücksicht auf internationale Regeln nicht nur ein gutes Geschäft, sondern erfüllt auch einen politischen Zweck. Schließlich belastet die Überfischung der Ostsee die angrenzenden EU-Staaten, die sich mit ihren Vorschriften und Fangquoten umso schwerer tun.
Entsprechend härter wird die Debatte, die die EU-Minister bei ihren Treffen zum Thema Fischfang auszutragen haben. Auch der Ruf nach Sanktionen wird lauter, doch um die durchzusetzen, braucht es in der EU Mehrheiten – und die sind in Sachen Fischerei vorerst nicht in Sicht.
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