Die Pille ist immer unbeliebter, die Angst davor aber umstritten
Träge, desinteressiert, wie unter einer Glaskuppel – so beschreibt Nina (Name von der Redaktion geändert) ihre Empfindungen, bis sie sich vor einem Jahr dazu entschied, die Pille abzusetzen. "Wirklich schlecht ist es mir nicht gegangen, besonders gut aber auch nicht. Irgendwie war das Glas einfach eher halb leer", erzählt sie.
Ihrem Beispiel folgen in jüngster Zeit immer mehr Frauen: Der am Mittwoch erschienene Österreichische Verhütungsreport zeigt, dass die Pille – einst als Meilenstein der sexuellen Befreiung von Frauen gefeiert – immer unbeliebter wird.
Rückgang
Der Anteil der Nutzerinnen ging im Vergleich zum letzten Report aus dem Jahr 2015 von 38 auf 34 Prozent zurück, im Jahr 2012 nahmen noch 45 Prozent der gebärfähigen Frauen in Österreich die Pille.
Die Auswirkungen der Hormon-Skepsis bekommt der Gynäkologe Christian Fiala täglich präsentiert, wie er sagt. Der Initiator des Reports und Leiter des Gynmed-Ambulatoriums, das auf Schwangerschaftsabbruch und Familienplanung spezialisiert ist, berichtet, dass es verstärkt zu Schwangerschaftsabbrüchen kommt, weil immer mehr Frauen die Pille absetzen und entweder gar nicht oder weniger wirksam verhüten, zum Beispiel mit Kondom. Auf die Frage nach dem "Warum" laute die Antwort häufig: "Weil ich Schlechtes über die Pille gehört habe." Eine negative Einstellung gegenüber der Pille entspräche laut Fiala derzeit der sozialen Erwartungshaltung. Dabei seien die meisten Frauen durchaus zufrieden mit dem Präparat.
Pille in Verruf
Dass jedoch viele Frauen von Nebenwirkungen der Pille betroffen sind, zeigt eine deutsche Studie aus dem Jahr 2017. Aus der Befragung von mehr als 1000 Frauen durch die Siemens-Betriebskrankenkasse geht hervor, dass jede zweite Frau mit unerwünschten Nebeneffekten konfrontiert ist, jede Zehnte gab an, unter Depressionen zu leiden. Andere häufige Nebenwirkungen sind Gewichtszunahme, Kopfschmerzen und Libidoverlust. Davon weiß auch Nina zu berichten. Nach dem Absetzen der Pille verspürte sie wieder mehr Lust, Dinge zu unternehmen, und auf Sex. "Da habe ich erst bemerkt, wie groß der Einfluss der Hormone auf meine mentale Verfassung war", sagt sie.
Negative Erfahrungen mit der Pille seien laut Fiala durchaus ernst zu nehmen. Er plädiert aber dafür, unterschiedliche Präparate auszuprobieren, um das passende zu finden. Er verweist zudem auf positive Nebenwirkungen wie reinere Haut, schwächere Regelschmerzen oder das generelle Ausbleiben der Menstruation bei der Anwendung im Langzyklus, also ohne Pause.
Den Fokus auf das Thromboserisiko der Pille, das Fiala vor allem bei Medienberichten ausmacht, hält er für "selektiv und ungerechtfertigt". "Wenn es eine familiäre Vorbelastung gibt, muss diese auf jeden Fall abgeklärt werden." Wer raucht, keinen Sport treibt oder Langstreckenflüge zurücklegt, habe ein höheres Risiko.
Eine sinnvolle Alternative zu Hormonen sieht der Gynäkologe nicht. Ausnahme seien die Kupferspirale und die Sterilisation, die aber nur marginal stärker genutzt werden. „Hormone sind die Sprache des Körpers, wer sich weigert, sie zu sprechen, kann die eigene Fruchtbarkeit nicht kontrollieren.“
Für ihre als besser empfundene Lebensqualität nimmt Nina das in Kauf. Sie schützt sich mit dem Kondom – das beliebteste Verhütungsmittel der Österreicher.
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