Der Hund als Spiegel unserer selbst

Freundliche, positive und feinfühlige Interaktion wirkt sich vorteilhaft auf das Stressmanagement des Hundes aus
Freund oder Gefahr? Wie wir Menschen mit unserem Verhalten das unseres Hundes steuern und verändern können.

Seit der Novelle des Wiener Tierhaltegesetzes Anfang des Jahres ebbt die Diskussion um gefährliche Hunde und stigmatisierte Rassen nicht ab. War davor der Hundeführerschein für Halter sogenannter Listenhunde vorgegeben, gilt jetzt eine generelle Maulkorbpflicht. Willkür und Tierquälerei nennen das Kritiker, die Initiatoren erklären es als Maßnahme zum Schutz der Kinder. Experten sind sich jedenfalls einig, dass das Problem meistens nicht beim Hund liegt, sondern „am anderen Ende der Leine“. Denn Vorfälle wie Bissattacken und aggressives Verhalten hätten vor allem mit dem Besitzer und seinem Mangel an Verantwortung zu tun, sagen etwa die Experten von Vier Pfoten. Vielmehr sollte sich die Politik um eine Verbesserung der Tier-Mensch-Beziehung kümmern, als weiter zu polarisieren, findet  Madeleine Petrovic, Leiterin des Wiener Tierschutzvereins.

 

Wie viel Einfluss Hundehalter wirklich auf ihre Vierbeiner haben und wie sehr sich diese an unseren Alltag anpassen, erklärt Ludwig Huber, Leiter des Clever Dog Lab an der  Veterinärmedizinischen Universität Wien. Hunde wüssten, was sie im Haushalt dürfen und würden sich Spielregeln einverleiben. Aber der Verhaltensbiologe sieht auch eine Anpassung seitens des Besitzers, dass sich dieser auf den Charakter des Hundes einstellt, was etwa die Häufigkeit und Intensität der Spaziergänge betrifft. „Es ist etwas ganz Natürliches, dass eine Beziehung verbessert wird, wenn man versteht, was der andere gerne oder nicht so gerne macht  und sich dann darauf einstellt“, erklärt Huber die Vorteile dieser gegenseitigen Beeinflussung.Wichtig ist dabei, dass sich die Besitzer darüber im Klaren sind, dass sie ihre Hunde nicht nur bewusst mit ihren Aussagen und Verhaltensmustern beeinflussen, sondern auch auf einer unterbewussten Ebene.

Hochgezogene Mundwinkel beim Lachen oder die zusammengekniffenen Augen, wenn man zornig ist – im Clever Dog Lab konnte mithilfe eines Eyetrackers bereits nachgewiesen werden, dass Hunde nicht nur das Gesicht ihres Besitzers erkennen, sondern auch Emotionen daraus lesen und deuten können. Kognitionsforscher Ludwig Huber spricht dabei von latentem Wissen, das nicht genetisch vererbt wurde, sondern sich der Hund über das Zusammenleben mit dem Menschen angeeignet hat. Über das Deuten der Emotionen könne der Hund so die richtigen Konsequenzen erlernen. „Wenn der Besitzer zornig nach Hause kommt und seine Aktentasche ins Eck schmeißt, dann wird der Hund sich vielleicht denken: ,Jetzt verhalte ich mich ruhig und will meinen Besitzer nicht zusätzlich reizen und zum Spielen auffordern‘“, gibt Huber ein Beispiel. Komme der Besitzer jedoch gut gelaunt nach einem Erfolgserlebnis nach Hause, werde der Hund eher einen Spaziergang oder gemeinsames Spielen einfordern.
 

Neben der visuellen Komponente spielen bei Hunden vor allem der Geruchs- und Hörsinn eine wesentliche Rolle in der Tier-Mensch-Kommunikation. Durch diese nimmt der Hund jegliche Veränderungen am Körper wahr. „Hunde können Krebszellen riechen, Unterzuckerung wahrnehmen und epileptische Anfälle im Vorhinein erkennen und wir glauben ernsthaft, dass wir unseren  Hund bezüglich unserer emotionalen Grundhaltung anlügen können?“, stellt Verhaltensbiologin Iris Schöberl eine rhetorische Frage. Gemeinsam mit Biologen Kurt Kotrschal untersuchte sie an der Universität Wien die Faktoren der Mensch-Hund-Beziehung und analysierte insgesamt  132 Familienhunde und ihre Hauptbezugspersonen in verschiedenen Situationen, wie  im Spiel, bei Leistungstests oder einer simulierten Bedrohung. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, welchen Einfluss die Persönlichkeit des Halters auf das Stressmanagement des Hundes hat.

 

Der Hund als Spiegel unserer selbst

Mag. Iris Schöberl, PhD, Verhaltensbiologin www.beratungundtraining.at

Erstaunliche Resultate

Wie eine Vorstudie bereits vermuten ließ, zeigten vor allem die Hunde ein effizienteres Stressmanagement, deren Halter hohe Werte bei der  Persönlichkeitsdimension „Offenheit“ und niedrige bei „Neurotizismus“ aufwiesen. Schöberl erklärt dies anhand eines Ergebnisses der Studie: „Menschen, die Trennungsangst gegenüber anderen Menschen haben oder anderen Menschen nicht so gut vertrauen können, haben Hunde mit schlechterem Stressmanagement. Sprich, deren Hunde können ihre Stressreaktion im Sinne der Kortisol-Regulation nicht so gut an verschiedene Situationen anpassen.“  Dass die Beziehung des Halters zu anderen Menschen auch das Stressmanagement der Hunde beeinflusst, erklärt Schöberl damit, dass wir Menschen ähnliche Persönlichkeitsstrukturen haben und Hunde ebenso soziale Tiere sind, die durch die jahrtausendelange gemeinsame Geschichte mit uns Menschen Experten im Lesen unserer Emotionen geworden sind. Ein weiterer Faktor, warum Hunde als Spiegel ihres Besitzers fungieren können, sind die sogenannten Spiegelneuronen im Gehirn. Diese werden  durch Beobachtung aktiv und führen dazu, dass Menschen wie Tiere Stimmungen übernehmen und nachempfinden können. Ein Beispiel dafür ist das Gähnen, das bekanntlich ansteckend ist und auch auf Hunde und vice versa übertragen werden kann.

 

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Depression oder Burn-out des Halters kann beim Hund dazu führen, dass auch dieser soziale Kontakte meidet

Analog zu den Forschungsergebnissen arbeitet Iris Schöberl, die neben Hundeverhaltensberaterin auch als  Lebens- und Sozialberaterin tätig ist, mit einem ganzheitlichen Ansatz. Möchte man ein bestimmtes Verhalten eines Hundes weg- oder antrainieren, müsse man ihrer Meinung nach die zugrunde liegenden Emotion verändern. Aus ihrer Arbeit mit Hunden und deren Haltern kann sie von vielen Fällen berichten, in denen die Arbeit mit dem Menschen zur gewollten Verhaltensänderung des Hundes geführt hat. So sei eine Klientin zu ihr gekommen, weil deren Hund nicht mehr in die U-Bahn einsteigen wollte. Dabei habe sich nach der Anamnese herausgestellt, dass die Halterin selbst Angst vor Menschenmengen  und dem  U-Bahn-Fahren hatte. „Ich kann trainieren, so lange ich will – wenn das Frauli Angst hat und unterbewusst signalisiert, dass es gefährlich ist, was sie da tun, wird auch der Hund Angst haben“, sagt Schöberl.   Wichtig sei bei der Arbeit von Mensch-Hund-Beziehungen, dass auch der Mensch fachspezifisch betreut werde und Erkrankungen des Hundes, die Schmerzen oder Unwohlsein auslösen, bekannt seien. 

Schöberl arbeitet dann mit den Frauchen und Herrchen an der Bindung zu ihrem Vierbeiner. „Besteht eine sichere Bindung, stellt diese für den Hund die sichere Basis dar, von  der er die Welt erkunden kann“, sagt die Lebensberaterin.  Biete man dem Hund Schutz und Sicherheit, lerne dieser, selbstbewusster zu sein und sein Verhalten zu ändern – also beispielsweise  nicht mehr jeden Hund zu verbellen.  Wobei auch zu beachten ist, dass manche Hunde durch Vorerfahrungen – etwa aus dem Tierschutz – trotz Sicherheitsgefühl ihr Verhalten nur mehr schwer ändern. „Es gibt Menschen, die sagen, dass alles nur an ihnen liege, aber das stimmt auch nicht, da sprechen wir dem Hund seine Vorerfahrung  ab“, relativiert sie.

Wie bei einem Spiegelbild können die Wechselbeziehungen aber auch in die andere Richtung ausstrahlen. So können Hunde etwa durch ihr gelassenes Auftreten in der tiergestützten Therapie Erfolge erzielen. „Wenn ein Hund entspannt im Raum liegt, dann wirkt das positiv auf uns, wir können uns besser beruhigen“, sagt Schöberl. Durch gezielte Beratung kann der eigene Hund zum bewusst genutzten Spiegel werden, an dem man erkennt, wann man wieder mehr auf sich selber schauen sollte. „Das ist viel Arbeit und muss gut begleitet werden, aber eine  bereichernde Erkenntnis“, sagt die Hundeverhaltensberaterin und appelliert dazu, mehr auf sich selbst zu hören, um dadurch zu erfahren, welche (un-)bewussten Signale wir an den Hund  senden.

Der Hund als Spiegel unserer selbst

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