Eigentlich passiert ja nichts, man will ja nur spielen: Die "Prozesse" sind Performancetheater, und in der nicht sehr großen Schublade könnte man sie auch lassen. Sie simulieren aber Echtheit: Es spielen (echte) Richter und Anwälte mit, die nach Vorgaben der Festwochen "Anklagen" erheben, diese vor einer (wiederum nicht echten) "Jury" verhandeln und dann ein "Urteil" sprechen. Bei Corona wurde die Republik großteils "freigesprochen", der KURIER berichtete.
Diese Künstlichkeit und Kleinheit der Veranstaltung - beim ersten Prozess waren meist rund 200 Menschen zugleich beim Live-Stream dabei, bei der "Urteilsverkündung" war das Odeon nur noch schütter besucht - geht in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch unter bzw. wird aktiv unterspielt: Der Intendant, auch die mediale Rezeption und Teile des Publikums taten so, als wäre beim Corona-Prozess eine Erkenntnis zu gewinnen gewesen.
Genau auf dieses Mitspielen der Öffentlichkeit legen die Festwochen es auch an: "Während deutsche Bundestagsabgeordnete Verbotsverfahren gegen die als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestufte AfD (Alternative für Deutschland) prüfen, laden die Wiener Festwochen | Freie Republik Wien am Tag der Europawahl die rechtspopulistische FPÖ vor Gericht", heißt es in der Presseaussendung. Hier wird also ein echter politischer Vorgang mit den eigenen "Prozessen" auf eine Stufe gestellt.
Man holt auch aus dem Politischen bekannte Akteure, etwa den Ibiza-Videoersteller Julian Hessenthaler oder Barbara Helige, ehemalige Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung. "Florian Scheuba wird aus den Innenwelten der Affären der FPÖ berichten", wird angekündigt.
In den "Anklagen" nimmt man auch Bezug auf die Geschichte der FPÖ und die reale Rechtslage. Es werde gefragt, "wie sehr die NS-Prägung die FPÖ beherrschte, oder ob sie schon bald als nationalliberale Partei des ,Dritten Lagers' diese Vergangenheit hinter sich ließ". Und man immunisiert sich gegen Kritik damit, das eigene Tun auch zu relativieren. "Wäre Österreich nicht staatsvertraglich verpflichtet, eine Organisation, die die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt ist, aufzulösen? ... Oder ist schon allein das Gedankenspiel der Auflösung einer Partei mit großer Anhängerschaft selbst demokratiepolitisch fragwürdig?", heiß es in der Vorschau.
Die Festwochen instrumentalisieren auch die FPÖ-Diktion für eigene Zwecke: Das Urteil über den "Volkskanzler" (als der sich FPÖ-Chef Herbert Kickl inszeniert) und seine Partei fällt dann eine "Volksjury".
Das alles ist natürlich eine herrliche Vorlage für die FPÖ. Als links punzierte Künstler bei einer von der Wiener SPÖ unter Michael Ludwig mit Millionen geförderten Veranstaltung veranstalten ein Tribunal gegen die FPÖ - was Besseres könnte der Partei im Wahlkampf passieren? Erwartungsgemäß molk die Partei dieses Thema schon bisher, das wird sich nun intensivieren.
Die Festwochen spielen für kleinen Nutzen mit der großen Politik - in einer ohnehin schon aufgerauten Lage. Das hat Rau schon mehrfach getan - etwa bei der umstrittenen Rede von Omri Boehm am Judenplatz oder auch der Einladungspolitik in den sogenannten "Rat der Republik". Wenn hier scharfer Protest etwa von der ÖVP kommt, freut man sich bei den Festwochen - das Spiel geht auf.
Man will ja bei den "Prozessen" nur diskutieren, wird betont, alle Seiten beleuchten, einander zuhören. Das wäre glaubwürdiger, wenn man das "Urteil" nicht genau dann verkünden würde, wenn am 9. Juni die Ergebnisse der EU-Wahl verkündet würden. Abseits des Kulturamtes unter Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler grummelt es ob dieses politischen Dilettierens jedenfalls auch schon in der SPÖ. Man werde die Festwochen nachbesprechen, hieß es bereits zuletzt schon zum KURIER.
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