Unter die Räder Russlands gekommen: Vom großen Ganzen zum Einzelschicksal

Unter die Räder Russlands gekommen: Vom großen Ganzen zum Einzelschicksal
Wiener Festwochen: Die Uraufführung von Marina Davydovas begehbaren „Museum of Uncounted Voices“ im Odeon.

Die Mächtigen nehmen, wenn es um das große Ganze geht, keine Rücksicht auf die Einzelnen. Das war früher so, das ist heute so. Das musste auch die Theaterkritikerin, Kuratorin und Autorin Marina Davydova erfahren. Sie wurde als Tochter eines Armeniers in Baku (heute Aserbaidschan) geboren, sprach russisch, war – wie so viele – nach Moskau hin ausgerichtet. Doch dann zerfiel die UdSSR, Nationalitätenkonflikte brachen aus.

1990 musste sie aufgrund der anti-armenischen Pogrome nach Russland fliehen. Der Krieg gegen die Ukraine machte ihr ein Bleiben unmöglich. Nun, in Berlin, befindet sich Davydova in einem fatalen Dilemma: „Ich bin eine Verräterin Russlands, in deren Kopf Passagen russischer Poesie herumschwirren.“ Diesen Satz, Teil eines Monologs, lässt sie von Marina Weis als Aufseherin im „Museum der ungezählten Stimmen“ sprechen. Damit endet nach zwei Stunden die Theaterinstallation „Museum of Uncounted Voices“, die als Auftragswerk des HAU (Hebbel am Ufer) am Montag bei den Festwochen im Odeon zur Uraufführung gelangte.

 

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