Simon McBurney, dem Festwochen-Publikum wohlbekannt, hat inszeniert, der Roman "Gesang der Fledermäuse" von Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk ist Vorlage, die Tourproduktion wurde international bereits hochgelobt. Es ist täuschend einfaches Theater, und am Anfang kaum das: Die Schauspielerin Kathryn Hunter, die in Hollywood-Produktionen ("Harry Potter", "Andor") ebenso wie auf der Bühne für ihr physisches Spiel bekannt ist, steht auf der Bühne vor einem Mikro und beginnt zu erzählen (Englisch mit Übertiteln).
Von einem tristen Winter in Polen auf einem Hochplateau an der tschechischen Grenze, dessen Eintönigkeit durchbrochen wird, als der unsympathische Nachbar an einem Rehknochen erstickt.
Man ist so abgeschieden, dass der Notruf an die (polnische) Polizei scheitert, weil man im tschechischen Netz eingebucht ist.
Bald aber taucht die ganze Bühne (Bühne und Kostüme: Rae Smith) ein in diesen Wald, Videos (gestaltet von Dick Straker) überlagern die Szenerie, es schneit, die zehn Darsteller posieren als Hirsche, die um einen erlegten Eber trauern, als Polizisten, die die folgenden Todesfälle lustlos anermitteln, als jene Männer, die Waffen schwingend durch die Natur stapfen und sich mit ihrer Beute ablichten lassen.
Hunter spielt Janina, eine chronisch kranke Tierliebhaberin, die mit einem ehemaligen Schüler William Blake übersetzt (Wo Zorn ist, entsteht eine Leere, in die Sorge fließt), allen Ermordeten ein Horoskop erstellt und sich mit Außenseitern umgibt.
Und die mächtig Zores macht, im Gefängnis landet, die Behörden auf die Tierquälerei eines Nachbarn aufmerksam machen will, dort aber auf die Trägheit des Amtes stößt. Und den Männer ein Testosteronsyndrom attestiert: Männer können sich ab einem gewissen Alter zunehmend nicht mehr kontrollieren, interessieren sich für den Zweiten Weltkrieg. Und schaffen es nicht, einen ganzen Roman zu lesen.
Im Zentrum steht die Natur. Und die Frage, ob die Männer eventuell von den Tieren ermordet werden. Ob die Natur Rache nimmt.
Aber das Ganze ist keineswegs so klar geschnitten, wie das heute in Ökofragen oft der Fall ist. Hunter vermittelt die Komplexität der Auseinandersetzung damit, was der Mensch so tut, sie ist immer auch Antiheldin und Fatalistin und Zerrissene, wie wir alle halt. Der Abend dreht Runden um die Liebe, um die Botanik, um Senfsuppe und das Altern, und am Schluss löst sich der Krimi auf, über den das alles verkauft wird, das Leben ist nicht einfacher geworden, aber man sieht es zumindest ein bisschen klarer, und da hat es sich schon gelohnt.
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