Übernahme: Nova Rock und Frequency kommen in neue Hände
Nickelsdorf und St. Pölten liegen demnächst ein Mal pro Jahr in Deutschland.
Zumindest musikalisch. In diesen Städten finden alljährlich die zwei größten Rockfestivals Österreichs, das Nova Rock und das Frequency Festival, statt. Deren Besonderheit: Trotz des rauen Windes am Rockfestival-Veranstaltungsmarkt waren sie in österreichischer Hand.
Ja, waren.
Denn die von Ewald Tatar gegründete Barracuda Holding, Veranstalter dieser Groß-Festivals und zahlreicher anderer kleiner und großer Pop- und Rockkonzerte, gehört alsbald einem deutschen Riesenunternehmen, der CTS Eventim. Und diese Veränderung am heimischen Musikveranstaltungsmarkt ist dermaßen weitreichend, dass die Kartellwächter auf den Plan gerufen sind.
Dominante Marktstellung?
Es war eine dürre Agenturmeldung: Am 28. Oktober hatte Eventim Live angekündigt, 71 Prozent an der Barracuda und die alleinige Kontrolle übernehmen zu wollen. Damit verleibt sich die Eventim nach u.a. LSK und Arcadia einen weiteren – den größten – heimischen Veranstalter ein.
Und wird in Österreich wohl eine dominante Marktstellung besitzen.
Rotweissrotes beim Nova-Rock 2020
Ein Raubfisch lässt sich fressen
Der Drang zur Größe ist einfach erklärt: Barracuda (benannt nach einem Raubfisch) ist ein großer Player am kleinen heimischen Markt. In internationalen Gewässern aber ist man Fischfutter. Dort machen sich Riesen wie Ticketmaster/Live Nation und eben CTS Eventim das (harte) Geschäft aus. Denn das Festivalbusiness ist mit Risiken behaftet, die Margen sind schlank. Die Gagen der Bands sind zuletzt rasant in die Höhe geschnalzt.
Je größer aber ein Veranstalter ist, desto bessere Deals kann er den Bands anbieten, und zwar für eine Reihe von Konzerten. Und desto leichter kann er kleine Konkurrenten ausbremsen. Die heimische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) prüft nun, ob der Zusammenschluss von Eventim und Barracuda den Wettbewerb behindert.
Unter Auflagen
So viel lässt sich bereits sagen: Ganz klaglos geht der Deal nicht durch – die Zeichen stehen auf einer Freigabe unter Auflagen.
Welche das sein werden, ist in Schwebe. Die BWB hat 75 Unternehmen aus dem Veranstaltungs- und Ticketingbereich zur Stellungnahme aufgefordert. An sich sollte bis 25. November alles unter Dach und Fach sein. Die Verhandlungen scheinen aber intensiv zu sein; auch eine Verlängerung der Prüfung um zwei Wochen ist nicht ausgeschlossen.
Tatar selbst wollte sich auf KURIER-Anfragen bis zum Abschluss des Deals nicht äußern.
Der Firmenname mag wenigen geläufig sein, dafür sind die von Barracuda veranstalteten Festivals umso klangvoller: Nova Rock, Frequency, Nova Jazz & Blues Night, Lovely Days, Clam Konzerte. Gründer Ewald Tatar hat in Wiesen begonnen und dann mit dem vorerst Skalar Music genannten Unternehmen weite Teile des heimischen Veranstaltungsmarkts gewonnen. Unter dem Dach von Barracuda hatten Tatar, der mit mehr als 36 Prozent den größten Anteil hält, und sechs Mitgesellschafter 2016 ihre Beteiligungen (Nova Music, Skalar, etc.) und Projektgesellschaften für die einzelnen Locations gebündelt. Die Barracuda Holding wies laut FirmenCompass im Geschäftsjahr 2018 einen Bilanzgewinn von 4,7 Millionen Euro aus.
Der deutsche Entertainment-Riese
Das Unternehmen, das sich den österreichischen Platzhirschen einverleiben möchte, ist ein Riese: Das im März 2019 neu gebündelte Veranstalter-Netzwerk Eventim Live umfasst schon jetzt 26 Promotoren in 10 europäischen Ländern, die – von Norwegen bis Spanien – in Summe 27 Festivals und gut 5.000 Livekonzerte mit zehn Millionen Besuchern veranstalten. Mit Barracuda würden die Zahlen weiter aufgefettet.
Und das ist nur die Eventseite. Denn zum börsenotierten Mutterkonzern CTS Eventim gehört auch das in Österreich führende Ticket-Portal oeticket.com. In Deutschland ist die Dominanz noch größer: Dort erwirtschaftet CTS Eventim knapp zwei Drittel seines Jahresumsatzes von zuletzt 1,2 Milliarden Euro.
Kein Wunder, dass die Kartellhüter alarmiert sind. Als CTS Eventim die von den Fantastischen Vier gegründete Agentur Four Artists schlucken wollte, schob das Bundeskartellamt dem 2017 einen Riegel vor: CTS habe eine „marktbeherrschende Stellung“ und dominiere 60 bis 70 Prozent des Verkaufs von Tickets über Plattformen. Seither ist CTS Eventim weiter gewachsen. Der Börsenkurs hat allein im letzten Jahr um gut 60 Prozent zugelegt.
Alles aus einer Hand
Was den Kartellhütern besonderes Kopfzerbrechen bereitet: Konzerne wie CTS Eventim erledigen alles aus einer Hand. Sie sind Organisatoren der Events, Ticketverkäufer und besitzen vielfach sogar Veranstaltungshallen
Für Konkurrenten ist da kaum noch Platz. Wenn nicht überhaupt Exklusivdeals den Zutritt versperren.
So hatte CTS Eventim einigen Konzertveranstaltern Exklusivverträge abgerungen, welche das deutsche Kartellamt 2017 wegen „erheblicher marktabschottender und wettbewerbsbeschränkender Wirkung“ untersagte.
Mögliche Auswirkungen: Durchgereichtes Programm und teurere Tickets
In Österreich würde es kaum jemand mit CTS Eventim/Barracuda aufnehmen können. Der Veranstalter DEAG hatte sich 2017, nach dem missglückten „Rock in Vienna“, wieder zurückgezogen.
Bleibt nur ein weiterer maßgeblicher Spieler: Der US-Anbieter Live Nation Entertainment. 2010 schloss sich Live Nation mit dem Kartenverkäufer Ticketmaster zusammen. In den USA, wo der Konzern wichtige Locations und den Ticketverkauf kontrolliert, häufen sich die Beschwerden, u. a. über die Preise. Das wird künftig auch eine Frage für die heimischen Kunden sein. Das Nova Rock lag mit seinen Preisen am unteren Ende des internationalen Niveaus. Und schon die waren nicht niedrig.
Und auch die Festivalprogramme könnten verwechselbarer (böse würde man sagen: noch verwechselbarer) werden. Denn wirtschaftlich vernünftig ist für Eventim, Festivalprogramme oder zumindest Bandpakete aus Deutschland einfach durchzubuchen.
Eben nach Nickelsdorf. Und nach St. Pölten.
Milliarden-Geschäft Konzerte
Der internationale Kampf der Giganten lautet CTS Eventim (D) gegen Live Nation/Ticketmaster (USA). In Sachen Größe haben die Amerikaner die Nase vorn, dafür streifen die Deutschen die höheren Gewinne ein.
CTS ist mit dem Ticketverkauf in 21 Ländern Europas vertreten, mit zumeist dominanter Position. Und der Wachstumshunger ist nicht gestillt, wie Zukäufe in Italien, Spanien und jüngst Frankreich zeigen. In Österreich ist vor allem die Plattform oeticket.com bekannt. Und die deutsche Pkw-Maut, für die CTS mit Kapsch TrafficCom (Wien) den Zuschlag erhalten hatte, hatte für Schlagzeilen gesorgt. Trotz des Stornos steuert der Konzern nach neun Monaten auf Rekordkurs: Der Umsatz ist um 16,5 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro gestiegen.
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