Roland Geyer: "Es ist ein Abschied ohne Wehmut"
Zwölf szenische Premieren im Theater an der Wien und in der Kammeroper, dazu zehn konzertante Opern, ein Kabarett in der sogenannten „Hölle“, ein Konzert und eine Produktion für Kinder und Jugendliche – mit einem echten Feuerwerk geht Roland Geyer in seine letzte Saison als Intendant des Theaters an der Wien. Und wie Geyer im KURIER-Gespräch sagt: „Es ist tatsächlich ein Abschied ohne Wehmut.“
Seit der Umwandlung des Hauses vom Musicalbetrieb (2006) hin zum Opernbetrieb lenkt Roland Geyer die Geschicke dieser Institution und hat das Haus am Naschmarkt zu einer der weltweit führenden Bühnen für packendes Musiktheater aufgebaut. Ihm folgt Stefan Herheim nach, der diesen Weg weiterführen will und, so Geyer: „Er konnte seine erste Saison völlig neu planen, denn er hatte genug Vorlaufzeit.“
Sanierung
Herheim startet seine Intendanz im Museumsquartier, denn Ende Februar 2022 endet der offizielle Spielbetrieb an der Wien. Geyer: „Es ist eine Sanierung dringend notwendig. Das Theater wurde zuletzt 1960 in den heutigen Zustand gebracht. Und wir müssen nach mehr als 50 Jahren dieses Juwel für die Zukunft rüsten.“ Das soll heißen: Die letzte Premiere der so erfolgreichen Ära Geyer findet hier bereits im Februar 2022 statt. Aber, so der Intendant: „In den sechs Monaten zwischen August (ja, da geht es schon los, Anm.) und Februar steckt praktisch eine ganze Saison“, so Geyer. Und dann gibt es ja die Kammeroper, die am 26. Mai wieder ihre Pforten öffnet.
Das sogenannte „Tristan Experiment“ von (als Regisseur) und mit Günther Groissböck ist die letzte Premiere der aktuellen Spielzeit. Geyer: „Ich freue mich sehr, dass wir wieder vor unserem Publikum spielen dürfen.“ Dabei hat Geyer immerhin fünf Produktionen trotz der Corona-Pandemie zur Aufführung gebracht. Wenn auch nur für die Kameras und wenige zugelassene Medienvertreter.
Glücksgefühl
„Ich empfinde ein Glücksgefühl, dass wir die ,Thaïs‘ von Jules Massenet in der Regie von Peter Konwitschny, die ,Platée‘ von Rameau in der Kult-Inszenierung von Robert Carsen sowie Sergej Prokofjews ,Feurigen Engel‘ zumindest via TV präsentieren und auch auf DVD dokumentieren konnten. Das waren Herausforderungen. Umso schöner, dass unser Publikum nun wieder live dabei sein kann.“
Und für das Publikum gibt es in der kommenden Spielzeit einiges zu sehen. Unter dem Motto „summa summarum“ sowie „Schwarze Nachthelle“ steht das neue Programm. Doch welches Motto gilt nun? Geyer: „Ich bin bekanntlich Mathematiker und daher ein Freund der Gleichungen. ,Schwarze Nachthelle‘ ist der finale Teil meines vierjährigen Tageszeitenzyklus und zeigt Opern der Dunkelheit mit der Hoffnung auf Licht und Sonne. Darin findet sich ,summa summarum‘ auch eine Art Rückbetrachtung der gesamten Operngeschichte zum Ausklang meiner Intendanz.“
Tickets der Wiener Bühnen
Ab 19. Mai sperren die Wiener Bühnen wieder auf, und der Vorverkauf läuft bereits (an). Das Theater an der Wien bietet Tickets folgendermaßen: Heute öffnet die Tageskassa, ab 17. Mai gibt es Tickets auch für die kommende Saison. Der „Faust“, mit dem die Staatsoper am 19. Mai wieder aufsperrt und der bisher nur im Fernsehen zu sehen war, ist zwar gleich einmal ausverkauft. Aber für Monteverdis „Poppea“ am 22. Mai – immerhin eine Premiere – gab es am Sonntagnachmittag ebenso noch Karten wie für den „Barbier für Kinder“ am 24. oder die ebenfalls neue „Carmen“ am 26. Mai. Auch die Volksoper bietet bereits Tickets für die Aufführungen ab 19. Mai an.
Für die Aufführungen im Akademietheater – die Burg bleibt ja zu – gibt es ab 14. Mai freien Kartenverkauf
Operngeschichte
Geyer weiter: „Das war immer mein Ziel. Viel zu zeigen, vom Anfang bis in die Gegenwart. Ja, es gibt klarerweise noch Leerstellen, die ich gerne gefüllt hätte, aber die rund 300 verschiedenen Opern, die ich in den 16 Jahren präsentiert habe, können sich schon sehen lassen.“
Wie auch das neue Programm: Dieses beginnt mit dem Hamburg Ballett und Starchoreograf John Neumeier mit „Meine Seele ist erschüttert“ am 28. August mit einem Beethoven-Abend. Es folgt am 19. September Emilio de' Cavalieris „Rappresentatione di Anima et di Corpo“ aus dem Jahr 1600 in der Regie von Robert Carsen – für Geyer „die erste Oper“.
Zeitreisen
Christof Loys großartige Adaption von Benjamin Brittens „Peter Grimes“ kehrt zurück, Alfredo Catalanis „La Wally“ feiert als „aktuelles Stück der Frauen“ in der Regie von Barbora Horáková, mit den Wiener Symphonikern und Andrés Orozco-Estrada Premiere, Burgchef Martin Kušej zeigt seine Deutung von Giacomo Puccinis „Tosca“. Mit „Giulio Cesare in Egitto“ (mit Bejun Mehta) begibt sich Regisseur Keith Warner abermals auf eine Zeitreise. Den Schlusspunkt der Ära Geyer an der Wien aber setzt die designierte Volksoperndirektorin Lotte de Beer im Februar 2022 mit ihrer Interpretation der „Jenůfa“ von Leos Janacek.
In der Kammeroper – Geyer: „Sie ist längst eine internationale Marke geworden“ – geht es bis Mitte Juni weiter. Mit Thérèse Raquin“ von Tobias Picker (2006) oder Ottmar Gersters „Enoch Arden“ (1936) stehen hier u. a. zwei Werke des 20. bzw. 21. Jahrhunderts auf dem Programm. „Enoch Arden“ wird übrigens David Haneke als „multimediales Projekt“ auf die Bühne bringen, und es wird die letzte Produktion der Ära Geyer sein. Doch gibt es vielleicht auch eine große Abschiedsgala? „Nein, so etwas überlasse ich anderen. Aber ein Fest im kleineren Kreis ist denkbar.“
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