The Killers in Wien: Breitbandprogramm mit Schlaghose
Wenn man es genau nimmt, haben The Killers nur zwei Songs: Einen, der von Anfang bis zum Schluss mit Pathos, Bombast und guter Laune ordentlich böllert. Und einen, der von Anfang bis zum Schluss mit noch mehr Pathos, dafür aber weniger Bombast auf nachdenklich, betrübt und Herzschmerz macht.
Mit diesen beiden Pop-Rock-Schablonen hat die Band rund um Sänger Brandon Flowers seit über 20 Jahren großen Erfolg. Dass dabei die immergleichen Vorlagen mit nur dezent unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden, ist den 10.000 Fans, die in der Wiener Stadthalle voller Begeisterung "ihren Lieblingen" zujubeln, völlig egal. Hauptsache es knallt, hat einen Refrain, den man sich merken kann und ordentlich Wumms.
Dass The Killers aus Las Vegas, die seit knapp zehn Jahren schon nicht mehr auf Österreich-Besuch waren, nach so vielen Jahren immer noch Stadien und Mehrzweckhallen rund um den Globus füllen, liegt vor allem an ihrem Talent für eingängige Melodien: Auf jedem ihrer bislang veröffentlichten Alben, sieben an der Zahl, befinden sich zumindest zwei Hits. Sie heißen "Mr. Brightside", "Human", "All These Things That I’ve Done", "Smile Like You Mean It", "Somebody Told Me", "When You Were Young" und "My Own Soul’s Warning". Alle diese Songs stehen am Dienstagabend auch am Programm.
Den Anfang macht "My Own Soul’s Warning", das gleich einmal die Richtung vorgibt: immer schön Vollgas. Zu einer breiten Wand aus Gitarren und Synthesizern schieben Bass und Schlagzeug ordentlich nach vorne. Wer dabei Details ausmachen möchte, scheitert. Dann besser dem Konfetti zusehen, wie es durch die Stadthalle schwebt. Mehr braucht es nicht, um das Publikum auf seiner Seite zu haben. Schau, wie schön ...
Gefühle im Hoserl
"Vienna, wir sind am Leben", sagt Brandon Flowers, der aussieht wie eine Mischung aus Immobilienmakler, Ken (der von Barbie) und Rockabilly, dessen Schlaghose im Schritt unverschämt eng sitzt. Die Bewegungsfreiheit von Flowers schränkt dieses Elvis-Hoserl aber keineswegs ein. Er springt munter herum, gibt den Vortänzer und Stimmungsmacher. Zusätzlich versucht er noch, gegen den Soundbrei anzusingen, der einem da von der Bühne entgegenwummert. Eher ohne großen Erfolg.
Es sind die großen Themen, die The Killers in ihren Songs verhandeln; zum großen Drama aufgeblasene Geschichten, die von Liebe, Leid und Lügen erzählen. Aber alles wird am Ende gut: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Die Killers befeuern zwei Stunden lang mit hymnischem Stadionrock die unstillbare Sehnsucht nach großen Gefühlen. Dazu wird geklatscht, geschunkelt - die halbe Wiener Stadthalle liegt sich in den Armen, Speichel und Viren werden ausgetauscht, Hände in die Lüfte gestreckt. Yeah! Das Smartphone darf bei diesem Spaß natürlich nicht fehlen. Es wird gefilmt und fotografiert: Die Daheimgebliebenen sollen ja auch was davon haben.
Kaum Kanten
Nach den ersten 30 Minuten auf der Überholspur wird mit der Ballade "Shot At The Night“ das Tempo reduziert. Der gute Backgroundchor kommt endlich zur Geltung. Kurz durchatmen, bevor mit „Human“ und „Somebody Told Me“ wieder aufs Gaspedal gestiegen wird. Das eigentlich gute, nach Talking Heads klingende „Fire in Bone“ geht leider komplett daneben. Ein einziges wabbeliges Soundkonstrukt – ohne Kanten, Ecken und Mitten.
Besser dann das Joy-Division-Cover „Shadowplay“ und "Runaway Horses" ihres zuletzt (2021) veröffentlichten Albums "Pressure Machine", auf dem Brandon Flowers einen auf Bruce Springsteen macht, eine US-Kleinstadt voller zerstörter Seelen und Träume besingt. Die Band nimmt sich dabei zurück und fährt nicht das übliche Breitbandprogramm hoch. Es folgt eine gute Phase des Abends: "Runaways", "Read My Mind" und "Caution", wo es dann auf der Bühne brennende Funken regnet. Damit ist die Pflicht getan. Zur anschließenden Kür werden "Spaceman“ und zuletzt natürlich der Überhit „Mr. Brightside“ gereicht. Die Ohren glühen, der Tinnitus pfeift. Die meisten Menschen verlassen zufrieden und glücklich die Stadthalle – obwohl sie zwei Stunden lang von einer massiven Klangwalze überrollt wurden. Alle zehn Jahre haltet man das schon aus.
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