Hui!
Das Unterhaltungsmekka war am Donnerstagabend das Ernst-Happel-Stadion - rund 40.000 Menschen pilgerten hin. Das Aufwärmprogramm absolvierten einige davon passenderweise im Prater: Eine Runde Autodrom, zwei Runden „Extasy“, drei Bier und eine Stelze. Gut gestärkt ging es ab ins Stadion. Viel Zeit zum Verdauen blieb aber nicht, denn es ging nach einem "Game of Thrones"-ähnlichen Intro dann auch gleich ordentlich zur Sache. Und zwar mit "It's Time", einem ganz gut abgeschmeckten Indie-Popsong aus der frühen Phase der Band. Dan Reynolds, Sänger und Mastermind der Truppe, schreitet dazu trittsicher und bodygebuildet über die Bühne. Singen kann er – und schön anzusehen ist er auch: gestählter Oberkörper, mächtiger Bizeps und Knackarsch. Hui! Das weibliche Publikum war - zu Recht - enthusiasmiert. Auch die zahlreich anwesenden Männer waren angetan. Zeit, die ersten Konfetti- Bombe zu zünden.
Es folgte „Believer“, dieser Mega-Hit mit unglaublichen zwei Milliarden Streams auf Spotify.: "Pain! You made me a, you made me a believer, believer...", singt Reynolds darin. Und nahezu alle im Stadion sangen mit, streckten ihre geballten Fäuste in den wunderschönen Abendhimmel und hyperventilierten: Yeeeah!
Es folgte die erste Ansprache, bei der Reynolds den Charme eines esoterisch angehauchten Predigers versprühte: „Wir geben euch alles von uns, alles, was wir haben“, sagte er. Man kaufte ihm das auch ab.
Zack, zack, zack – weiter ging es in der Set-List, auf der rund 20 Songs vermerkt waren. Es folgte mit "Thunder" ein erneuter Knalleffekt: Die Papierschnipsel, die diesmal ins Publikum geschossen wurden, waren nicht mehr weiß, sondern rot. Ein bisschen Abwechslung muss sein.
Andreas Gabalier
Alles bei der Show war bis ins kleinste Detail geplant, auf große Show gebürstet, Las Vegas eben. Imagine Dragons sind laut, bunt, amerikanisch – und sehr professionell. Ihren Sound legen sie breit an, die Texte sind mal banal, mal sehr persönlich. Musik, die weltweit Millionen von Menschen begeistert: Sie kaufen ihre Alben, streamen ihre Lieder auf Spotify und lassen die Band-Kasse klingeln. Damit der Geldfluss nicht abreißt, werden fast täglich News in Form von hübschen Bildern oder kleinen Filmchen auf Social Media geteilt. Ihr neues, am 1. Juli erscheinendes Album „Mercury – Act 2“ stellt die Band zum Beispiel heute, Freitag, in Wien via Livestream auf Instagram (@imaginedragons) vor. Die Leitungen werden glühen.
Ihr seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Night Visions“ (2012) anhaltender Erfolg steht aber im starken Kontrast zur attestierten Qualität: Der Slipknot-Sänger Corey Taylor nannte sie kürzlich gar „die schlechteste Band der Welt“, was natürlich völliger Schwachsinn ist. Was hingegen stimmt, ist die Tatsache, dass ihre Alben von der Kritik selten euphorisch besprochen werden. Wenn man so will, dann haben Imagine Dragons etwas mit Andreas Gabalier gemeinsam: Von den Kritik verschmäht, aber Stadien füllen sie. Auch das Erst-Happel-Stadion war fast ausverkauft, die Stimmung besser als bei einem Heimspiel der Österreichischen Nationalmannschaft.
Musikalisch kam an diesem Abend jeder auf seine Rechnung: Es gab opulente Pop-Momente mit stampfenden Beats, Hip-Hop-Exkurse, die Gitarren duften mal schrammeln, mal rocken, mal funky klingen und sogar Synthesizer bekamen ihre Einsatzminuten. Ein Konzert wie ein Buffet: Für jeden war etwas dabei.
Songs wie "Whatever It Takes", "It’s Ok" sind allesamt Hits, die wochenlang und mehrmals täglich in den unterschiedlichsten Formatradios rotieren dürfen. Alles klingt dabei vorhersehbar. Soll es auch. Denn wo Imagine Dragons drauf steht, soll auch Imagine Dragons drinnen sein. Ähnlich wie bei Coca-Cola.
Für die Ukraine, gegen den Krieg
Der nach "Natural" eingestreute Akustik-Teil war dann eine willkommene Abwechslung zum davor gezündeten Pop-Feuerwerk. Die großartig aufspielenden Musiker (Bass: Ben McKee; Gitarre: Daniel Wayne Sermon; Schlagzeug: Daniel Platzman) um Sänger Dan Reynolds nahmen ganz vorne, am Laufsteg der Bühne, Platz. Zeit für ein politisches Statement: "We stand with Ukraine – and we love you“. Reynolds will "Peace" und keinen Krieg. Alle im Stadion sind seiner Meinung. Es wurde eine Ukraine-Flagge geschwenkt und Reynolds stimmte dazu den Song "Next to Me" an. Emotional dann die Coverversion von Alphavilles "Forever Young". Berührend auch die Sekunden, als er von seinen Depressionen erzählt, sich für Therapie ausspricht und den Hit "Demons" folgen lässt.
Danach hätte man eigentlich nach Hause gehen können. Denn was folgte, war mehr vom Gleichen. Eh super, aber alles schon gehört. Da hilft dann auch kein weiterer Konfetti-Regen, kein Feuerwerk mehr. Aber die schlechteste Band der Welt? Nein, damit haben Imagine Dragons nichts zu tun. Diesen Platz beanspruchen übrigens immer noch Nickelback (oder doch Andreas Gabalier?) für sich.
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