Rolling Stones: Steiniger Beginn, würdevoller Abschied

Die Stones wie eh und je - nicht perfekt, aber einfach gut.
Zwar fehlerhaft, aber immer authentisch präsentierte sich die Bandlegende in Spielberg.

Vier in knalligem Gelb erstrahlende Türme bilden die Skyline des Spektakels. Vier Zungen beleidigen nicht, sie bestätigen 95.000 in ihrer Getriebenheit, ans gefühlte Ende der Welt gepilgert zu sein. Die wahrscheinlich beste, berühmteste, aber mit Sicherheit älteste Rockband der Erde gibt dort das größte Konzert auf ihrer als Abschied interpretierten Europa-Tournee. Nach Hamburg, München also Spielberg?

Hart ist diese Prüfung. Kälteeinbruch, gegen Null tendiert die Fortbewegung in Warteschlangen und im Gatsch, dennoch, der ins Grau geratene Teil des Publikums versucht beharrlich die Lust daran zu erhalten, vom jugendlichen Leichtsinn eingeholt worden zu sein.

Das Bühnenmonster fügt sich in die Finsternis, roter Flimmer lässt die reflexartig in Uhh-Uhh-Laute ausbrechende Menge zur Hölle fahren. Die Anfangstakte zu "Sympathy For The Devil".

Milde ist gefordert, Nachsichtigkeit. Der ursprünglich so diabolisch-bissige Album-Opener zu Beggars Banquet, livehaftig in den vergangenen Jahrzehnten in die Gemütlichkeit entschleunigt, wird zur Fingerübung des Keith Richards. Zu einer gründlich misslungenen.

Beruhigend sei vorausgeschickt: Der holprige Start bleibt schlimme Befürchtung. "No Filter", der Name der Tour, hat Programm, die Stones offenbaren ihre Schwächen, Falten und phänomenal eigensinnigen Ansichten des Rock’n’Roll.

Unverwüstlich

Ronnie Wood und Keith Richards tun ohnehin, was sie wollen, zerstückeln das Klangbild, Charlie Watts trommelt aus der Distanz, und sie alle hat Mick Jagger im Griff. In dieser Gang der über 70-Jährigen behält er die Auf- und Übersicht, als Rampensau, Unterhalter und Sänger mit ewig konservierter Stimme. Er kramt in seinem deutschen Sprachschatz, scherzt über die "Glitzerschuhe des Herrn Holz (Wood)", sucht seine "Gummistiefel", weiß, dass Österreich bald wählt und entschuldigt sich, keinen "Helene-Fischer-Song" im Repertoire zu haben.

Sie hämmern oder streicheln ihre reichhaltige Hitsammlung in die dankbare Masse. Zeigen je nach Bedarf Härte oder Gefühl.

"It’s Only Rock’n’Roll", "Street Fighting Man", "Satisfaction", "Brown Sugar", "Jumpin’ Jack Flash", Songs, die auf der Bühne ihren wahren musikalisch-hintergründigen Charakter immer nur erahnen lassen, sind Pflicht des Vortrags. "She’s A Rainbow", "Under My Thumb" und "Paint It Black" sparen nicht mit Sentimentalität.

Keith Richards, sein Äußeres vom Alter und von reichlich ausgekosteten Lastern konsequent verformt, bleibt gedanklich im Irgendwo, stets grinsend, Zigaretten paffend, nimmt sich selbst nicht ernst und hat wie immer die Sympathien auf seiner Seite. Der Meister des Riffs bleibt "Happy", macht "Slipping Away" zur ganz persönlichen Erzählung.

Künstlerisch

Für die Höhepunkte sorgen der Angestellte am Bass, Darryl Jones, im groovenden "Miss You". Lässig cool grummelt er sein Solo, wie der Typ, der im Finale eines Tarantino-Streifens alles und alle erledigt.

Dann, die absolute Versöhnung, der permanente Tempowechsel des "Midnight Rambler". Spannungsgeladen, setzt präzise Punkte, die Misstöne vergessen lassen. Die "Oper des Blues", wie Keith Richards irgendwann einmal behauptet hatte? Vielleicht.

Der 15. Österreich-Auftritt der Rolling Stones stört die Erinnerung an ihre Besonderheit jedenfalls nicht, sollte er tatsächlich der letzte gewesen sein. In jeder Phase als Konzert zelebriert, nie als peinliche Show. Nichts wurde vorgegaukelt, nichts was einmal war und auch nicht mehr sein kann.

Übrigens, da war doch noch etwas. "Der Shuttle-Dienst soll zur Hölle fahren", schimpft der Mann nach drei stündiger Kältestarre in der Warteschlange. Und er relativiert sich, der Fehlgriff des Keith Richards in seiner Sympathie für den Teufel.

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