Rita Nitsch über Mikl-Leitner: "Sie wird die FPÖ niederregieren!"
Johanna Mikl-Leitner besuchte Rita Nitsch auf Schloss Prinzendorf. Der Witwe geht es um die Erhaltung des Genius Loci ihres vor einem Jahr verstorbenen Mannes. Und die niederösterreichische Landeshauptfrau, die kürzlich mit ihrer ÖVP eine Koalition mit der FPÖ einging, leckt ihre Wunden. Was sie allerdings nie zugeben würde: Im Interview betont sie mehrfach ihren Willen, kulturpolitisch Flagge zu zeigen.
KURIER: Das Regierungsabkommen wurde auch von Reinhard Teufel, dem Klubobmann der FPÖ Niederösterreich, unterfertigt. Haben Sie Ihre Seele verkauft?
Johanna Mikl-Leitner: Ich bin nur über meinen Schatten gesprungen. Um Neuwahlen zu verhindern – eine Koalition mit der SPÖ, der drittstärksten Partei, scheiterte an deren Kompromisslosigkeit – kam es eben zu Gesprächen mit der FPÖ. Ja, wir gehen einen schwierigen Weg, es ist eine Zweckgemeinschaft. Und wenn es darum geht, die Menschen nach der Pandemie zu versöhnen und Niederösterreich weiterzubringen, dann ist das ein guter Zweck.
Sie hätten doch sagen können: „Aber nicht mit mir. Denn ich stehe für gerade Politik und bin gegen Ausländerfeindlichkeit.“
Mikl-Leitner: Ich stehe für gerade Politik! Denn – anders als die ehemals staatstragende SPÖ – entziehe ich mich nicht der Verantwortung. Es geht darum, demokratische Entscheidungen zu respektieren: Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit gibt es nun vier Regierungssitze für die ÖVP, drei für die FPÖ und zwei für die SPÖ. Und wer sich das Arbeitsübereinkommen durchliest, wird feststellen: Es ist ein zutiefst bürgerliches Programm!
Im Kapitel Kultur spricht man sich u. a. für „die Bekämpfung des Antisemitismus und das Gedenken an den Holocaust“ aus. Udo Landbauer, nun Ihr Stellvertreter, ist aber bei einer Burschenschaft, die kein Problem damit hätte, wenn in der NS-Zeit noch mehr Juden ermordet worden wären. Wie geht das zusammen?
Mikl-Leitner: Wir setzen im Arbeitsübereinkommen klare Signale, wir bekämpfen Antisemitismus, halten jüdische Kultur hoch. Das machen wir in Niederösterreich seit Jahrzehnten, das stärken wir auch in Zukunft. In Schloss Sooß zum Beispiel wird es ein neues jüdisches Zentrum geben.
Und Sie glauben nicht, dass Udo Landbauer diese Vorhaben vereiteln könnte?
Mikl-Leitner: Messen Sie uns an unseren Taten!
Die Künstler sind jedenfalls besorgt. Nachvollziehbar?
Mikl-Leitner: Ich respektiere die Sorgen der Kulturschaffenden. Ich respektiere aber auch die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler: Fast ein Viertel hat die FPÖ gewählt. In Zeiten von globalen Krisen, von großer Unsicherheit und vieler Irritationen ist es auch wichtig, die Sorgen der Landsleute ernst zu nehmen.
Die Akademie des Österreichischen Films verzichtet 2024 auf die Gala in Grafenegg. Trifft Sie das?
Mikl-Leitner: Diese Entscheidung gehört zur Freiheit der Kunst. Unsere Türen bleiben aber offen. Und meine Entscheidung ist, das für die Gala budgetierte Geld für Nachwuchsförderung im Bereich der Kultur zu verwenden. Ich glaube, dass es gerade in derartigen Zeiten nicht weniger, sondern mehr Kultur braucht. Niederösterreich hat sich mit über 20.000 Veranstaltungen und 300 Festivals international positioniert – im urbanen wie im ländlichen Raum. Daran werden wir weiterarbeiten. Das ist mein Wille. Kunst muss man überall spüren!
Rita Nitsch: Der Nitsch war überzeugt, dass die Kunst die Menschen läutert, dass sie durch den Kunstgenuss zu besseren Menschen werden.
Sie glauben die Versprechungen der Landeshauptfrau?
Rita Nitsch: Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die FPÖ eine äußerst kunst- und kulturfeindliche Partei ist. Wie sie lügt, sieht man ja schon an dem Widerspruch, den Sie angesprochen haben. Ich vertraue Johanna Mikl-Leitner. Kunst und Kultur stehen weiter unter ihrer Schirmherrschaft. Und sie ist eine Kämpferin! Sie wird es schwer haben mit der FPÖ, aber sie wird sie niederregieren!
Vor zwei Wochen war die Eröffnung der Jahresausstellung in Mistelbach von einer Demonstration überschattet. Man warf Nitsch absurderweise Kindermissbrauch vor und forderte die Schließung des Museums. War das schon ein Anzeichen, wie es kulturpolitisch weitergehen wird?
Rita Nitsch: Die FPÖ hat Nitsch immer bekämpft. Wir sind solche Attacken daher schon gewöhnt. Und das Land steht zu Nitsch und dem Museum, das wurde auch bei der Eröffnung zum Ausdruck gebracht. In einer Koalition muss man Kompromisse machen. Aber ich bin mir sicher: Mikl-Leitner wird für ihre Werte und Überzeugungen auch in Zukunft kämpfen. Ihr Herz bleibt am rechten Fleck. Nein, das kann man jetzt nicht mehr so sagen. Ihr Herz bleibt am richtigen Fleck!
Mikl-Leitner: Ich war in den letzten fünf Jahren mit Herz und Seele für die Kulturpolitik zuständig, ich stand immer für eine liberale Kulturpolitik, daran wird sich nichts ändern. Es geht uns nicht nur um die Erhaltung des Kulturerbes, sondern auch darum, zeitgenössische Kunst in den Mittelpunkt zu stellen – etwa bei der „Tangente“ 2024 in St. Pölten – und Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Freiheit der Kunst zu gewährleisten. Wir federn daher für die Kultureinrichtungen die Teuerung ab. Denn bei uns gibt es – anders als im Bund – eine Indexanpassung.
Im Arbeitsprogramm finde ich aber nicht viel Neues.
Mikl-Leitner: Wir konnten nicht alles aufzählen. Aber es gibt zum Beispiel ein Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro für die Infrastruktur: Adaption der Reit- als Rudi-Buchbinder-Halle in Grafenegg, Modernisierung von Schloss Schallaburg, Bau des Kinderkunst-Labors in St.Pölten, Sanierung des Theaters Wiener Neustadt um 14,5 Millionen Euro. Es soll künftig im Verbund mit dem Landestheater und der Bühne Baden bespielt werden. Und ganz neu: Die Landesausstellung 2026 wird im Klinikum Mauer zum Thema „Wunder Mensch – Seelische Gesundheit im Wandel der Zeit“ stattfinden. Federführend in die Konzeption eingebunden ist der Psychiater und Schriftsteller Paulus Hochgatterer.
Und was ist mit Schloss Prinzendorf? Rita Nitsch, Sie würden es gerne dem Land überantworten wollen?
Rita Nitsch: Genau. Alles würde so bleiben, wie Nitsch es hinterlassen hat: Die Räume mit den vielen Schüttbildern, die Kapelle und die Ställe ergeben bereits ein Museum. Und Nitsch hat sein Orgien Mysterien Theater für das Schloss entwickelt. Es sollen hier auch in Zukunft Aktionen stattfinden. Es gibt bereits Kaufangebote von privaten Interessenten. Aber ich reagiere einstweilen nicht. Und investiere, solange ich kann, in die Infrastruktur. Ziel ist, dass das Schloss energieautark wird.
Mikl-Leitner: Nitsch ist ein Weltkünstler. Es macht uns stolz, ihn als Sohn des Weinviertels bezeichnen zu dürfen. Der erste Schritt ist, dass wir im Sommer eine Brücke zwischen dem Museum in Mistelbach und dem Schloss schlagen – mit einem Veranstaltungsprogramm an mehreren Tagen. Da wollen wir Erfahrungen sammeln. Es geht auch um ein touristisches Konzept. Ich glaube, dass Nitsch zu einer unglaublichen Marke für die Region werden könnte.
Rita Nitsch: Es wird zum Beispiel einen Nitsch-Pfad geben: Man soll durch die Weinhänge wandern und an den Lieblingsheurigen von Nitsch vorbeikommen können. Wir streben auch einen Austausch mit internationalen Künstlern an. Ein Idee wäre: Das Tàpies Museum in Barcelona präsentiert Nitsch – und das Nitsch Museum präsentiert Antoni Tàpies. Ich könnte mir auch vorstellen, dass es hier im Schloss „Artists in Residence“ leben und arbeiten.
Mikl-Leitner: Das wär‘ jedenfalls cool! Aber alle weiteren Schritte müssen wir erst besprechen. Und wenn es um einen Weltkünstler geht, dann braucht es eine Allianz zwischen Land und Bund. Bei einem solchen Projekt kann es nicht ohne den Bund gehen. Der engagiert sich ohnedies viel zu wenig im Osten Österreichs.
Es kündigt sich ein intensiver Kultursommer an. Welche Festivals oder Veranstaltungen werden Sie besuchen? „Alma“ von Paulus Manker im Südbahnhotel? Die Peter-Turrini-Uraufführung in Gutenstein? Eine Premiere in Reichenau?
Mikl-Leitner: Möglichst viele! In Grafenegg werde ich jedenfalls mehrfach sein.
Rita Nitsch: Und am 31. Oktober hoffentlich im Musikverein: Die Tonkünstler spielen eine Symphonie vom Nitsch!
Info: Am Pfingstsonntag (28. Mai) wird auf Schloss Prinzendorf der dritte Tag des zweiten 6-Tage-Spiels von Hermann Nitsch realisiert - vom Morgengrauen bis in die Nacht.
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