Renner hatte 1976 eine Aktion von Nitsch in Mailand miterlebt, war begeistert – und fragte den Meister, ob er nicht einen Assistenten brauche. Renner durfte sogleich beginnen. Zunächst war er allerdings in erster Linie Seelentröster. Denn 1977 starb die heiß geliebte Beate Nitsch, die für ihren Mann den Sehnsuchtsort seit Kindheit an, das Schloss Prinzendorf, angekauft hatte.
Später organisierte Paul Renner die Aktionen: Er rekrutierte die Mitspieler und kaufte die benötigten Materialen, darunter Fleisch und Blut, ein. „Ich kannte alle Schlachthäuser von Palermo bis New York.“ 1984 gab Renner den Job als „Außenminister“ auf, blieb Nitsch und dessen alle Sinne ansprechenden OM-Theater aber eng verbunden. Er wurde sogar der Chefkoch: Nitsch übergab ihm eine Liste mit 100 Speisen der traditionellen österreichischen Küche, die in den Pausen zwischen den Aktionen kredenzt werden. Darunter (falsche) Schildkrötensuppe, Paprikahendl und Scheiterhaufen.
Am 25. März wird Renner wieder für das leibliche Wohl sorgen – bei der Eröffnung der neuen Nitsch-Ausstellung im Museum von Mistelbach. Diese widmet sich dem 6-Tage-Spiel, das 1998 zur Uraufführung gelangt war. Zu sehen sind, so Rita Nitsch, unter anderem Installationen, Schüttbilder, Aktionspartituren, Applikationen und Gerätschaften in einer äußerst dichten Hängung, wie Nitsch es liebte.
Als Ergänzung werden auch Relikte der zwei Tage des zweiten 6-Tage-Spiels präsentiert. Die lang geplante, aufgrund der Pandemie wiederholt verschobene Umsetzung fand im Sommer 2022 statt – nach der minutiös ausgetüftelten Partitur. Im Gegensatz zu den riesigen Schüttbildern, die im Sommer 2021 als Farbe gewordene Musik in Bayreuth entstanden, war Nitsch bei der Entstehung nicht mehr physisch anwesend. Rita Nitsch möchte diese Relikte daher nicht verkaufen. Einstweilen zumindest.
Heuer soll der dritte Tag des zweiten 6-Tage-Spiels, der berauschende und rauschhafte Tag des Dionysos, zur Uraufführung gelangen – am Pfingstsonntag (28. Mai) statt des alljährlichen Pfingstfestes. Paul Renner wird aufkochen, der Wein soll fließen, es wird Prozessionen und Aktionen geben, im Mittelpunkt steht die Musik, und wieder wird Andrea Cusumano, früher Nitsch-Assistent und zwischenzeitlich Kulturstadtrat von Palermo, das Lärmorchester, die Blasmusikkapellen, Chöre und anderen Ensembles dirigieren.
Zuvor schon werden zwei weitere Ausstellungen eröffnet werden: Von 2. März bis 14. Mai zeigt Westlicht in Wien Fotodokumentationen der Nitsch-Aktionen zwischen 1963 und 1984 unter anderem von Heinz Cibulka und Ludwig Hoffenreich. Und am 16. März eröffnet die Pace Gallery in New York ihre erste Nitsch-Schau. Sie dürfte mit 20 ausgesuchten Werken aus sechs Jahrzehnten eine Art konzentrierte Retrospektive werden – und den Preis für Nitsch vielleicht ein wenig nach oben treiben.
Das erste Jahr nach Nitsch wird am 31. Oktober ausklingen: mit der Aufführung einer seiner Symphonien durch die NÖ Tonkünstler unter Patrick Hahn im Goldenen Musikvereinssaal. Das hätte Nitsch sicher sehr getaugt.
Kommentare