Der Nitsch, wie er in seiner Umgebung immer nur genannt wurde, ein Name, der für sich steht, der keinen Vornamen, kein Beiwerk braucht, war ein seriöser, ernsthafter, dabei lustvoller und bacchantischer Künstler. Ein gütiger Gott des Gemetzels. Und die Rezeption seiner Kunst sagte, wie bei vielen seinesgleichen, mehr über die Rezipienten aus als über seine Arbeiten. Sowohl was die Kritiker betrifft als auch manche Adoranten, die ihre Büros mit einem Nitsch schmückten, als Statement für Weltoffenheit. „Muss ich denn sterben, um zu leben?“, sang Falco einst. Nitsch wurde schon seit einiger Zeit als Ikone gefeiert.
Das Gesamtkunstwerk, durchaus im Sinne Richard Wagners, war es, um das es dem Nitsch ging. Bildende Kunst, Aktionen, Musik, alles vereint in seinem Orgien-Mysterien-Theater, am besten zu beobachten in seinem Sechs-Tage-Spiel, aber auch in seinen Operninszenierungen wie zuletzt bei den Bayreuther Festspielen. Dort tauchte er 2021 „Die Walküre“ mit einer Schüttaktion in ein Farbenmeer und wurde, als er sich mit Gehstock auf die Bühne schleppte, bejubelt und ausgebuht.
Aber auch als Mensch war der Nitsch ein Gesamtkunstwerk.
Ein durch und durch katholischer Künstler, der lange Zeit innerhalb der Kirche auf Unverständnis stieß. Dass er ausgerechnet zu Ostern starb, passt ins Bild des ewigen Parsifal, der seine Gralsburg in Prinzendorf gefunden hatte.
Ein stets polarisierender Künstler, obwohl er seine Rolle nie so gesehen hatte. Er musste nur den Mund aufmachen, schon begannen FPÖler zu hyperventilieren.
Der Nitsch war aber durchaus auch ein regionaler Künstler, der nur auf dem österreichischen Humus gedeihen konnte, der seiner Zeit weit voraus war, weil er Regionalität mit Qualität erfüllte und Grenzen aufbrach, statt sie zu ziehen. Und wer Nitsch Tierquälerei vorwarf, hat nichts verstanden – bei ihm wurden nur Tiere ausgeweidet, deren Fleisch zum Verzehr bestimmt war. Wer ihn dafür kritisierte, möge sein Billig-Schnitzel hinterfragen.
Jetzt hätte er oben, bei seinem Gott, bei Wotan und bei Wagner, bestimmt noch gern ein Glaserl Wein, am besten von seinem eigenen. R. I. P., Nitsch! Wenn jemandem ein ordentlicher Leichenschmaus gebührt, dann ihm.
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