"Absolutes Novum in der Unternehmensgeschichte"
KURIER: Sie sagen, eine Nicht-Wiederbestellung käme einer politischen Umfärbung gleich. Ernst?
Alexander Wrabetz: Wenn da jetzt die angekündigten internationalen Medienstars gegen mich antreten würden, dann könnte man das nicht sagen, aber so...
Das Kanzleramt verfügt über eine satte Mehrheit im Stiftungsrat. Wunschkandidat ist Roland Weißmann. Warum glauben Sie, dass Sie dagegen eine Chance haben?
Weil in Österreich heuer ein paar Dinge passiert sind – Stichwort ÖBAG – , dass man annehmen kann, man möchte sich derartige Debatten im ORF ersparen und auch nur den Anschein einer politischen Besetzung vermeiden. Die Strategie, die ich letztes Jahr vorgelegt habe, legen auch alle Mitbewerber zugrunde. Die einzigen Unterschiede sind beim Führungsstil – mehr oder weniger delegieren, diskutieren, Arbeitskreise bilden – bei den anstehenden großen Entscheidungen stehe ich für klare Management-Verantwortung und Leadership und nicht für „Sesselkreise“.
Sprechen Sie Weißmann und Totzauer wirklich die Qualifikation ab?
Nein, die beiden sind erfahrene Kollegen, aber es wäre in der Unternehmensgeschichte ein absolutes Novum, wenn Mitarbeiter der dritten Führungsebene ohne Erfahrung in Direktorien oder einem Vorstand die Alleingeschäftsführer-Verantwortung übertragen bekommen.
Angenommen, Sie verlieren: Würden Sie den Rechtsweg beschreiten?
Das schließe ich aus.
Viele sind immer noch prekär beschäftigt, klagen Ihre freien Mitarbeiter. Was erwidern Sie?
2003, damals noch als kaufmännischer Direktor, waren wir mit 1500 freien MitarbeiterInnen in prekären Verhältnissen konfrontiert. 2003 wurde ein schlankerer Kollektivvertrag eingeführt, um den Großteil anzustellen. 2014 oder waren es dann 300 neue Freie MitarbeiterInnen. Das haben wir mit dem Kollektivvertrag 2014 gelöst. 2017 gab es die Auflage des Stiftungsrats, 300 Mitarbeiter abzubauen. Da haben wir uns damit beholfen über Praktika und Karenzvertretungen dennoch Leute aufzunehmen. Mehr als die Hälfte davon wird in ein Regeldienstverhältnis übernommen.
"Das hinterlässt Frustration bei der Mitarbeiterschaft"
KURIER: Sie haben sich klar gegen den Willen des Kanzleramtes beworben, das traditionell die Zügel in der Hand hat. Warum tut man sich das an?
Lisa Totzauer: Ich trete für die Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit des ORF an und nicht gegen jemanden. Für die Inhalte und für mein Konzept bekomme ich großen Zuspruch aus allen Lagern. Entscheidend für unsere Zukunft sind die 35 unabhängigen StiftungsrätInnen.
Man hat im Vorfeld der ORF-Wahl nicht den Eindruck, dass die Debatten um die ÖBAG-Spitze bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
Allein, dass Sie das erwähnen, zeigt doch, was sich in Österreich verändert hat.
Im ORF sind lediglich drei (!) Prozent unter 30 Jahre alt. Diese Altersgruppe klagt über prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Wie will man mit der Aufstellung junge Leute erreichen?
Das sind Versäumnisse der Vergangenheit, die natürlich schmerzhaft für das Unternehmen und alle Betroffenen sind. Wir werden junge Menschen im Publikum nicht erreichen, wenn wir nicht selbst junge MitarbeiterInnen an uns binden und anständig behandeln. Sehr viele Junge haben bei uns eine Chance bekommen, in dem sie ein Praktikum gemacht haben – allerdings ohne faire Perspektiven für die Zeit danach. Als Generaldirektorin werde ich diese Perspektive ermöglichen und den ORF verjüngen.
Dafür hat man – mit Verlaub – eine aufgeblähte Führungsstruktur geschaffen, nicht?
Das größere Problem ist doch: Wenn nicht klar definiert ist, wer wofür zuständig ist, entsteht ein Vakuum. Das ist ineffizient und hinterlässt Frustrationen bei den MitarbeiterInnen. Das heißt: Nicht allein die Größe des Führungsapparates ist das Problem.
Sie treten nicht nur gegen den Willen des Kanzleramts an, Sie sind auch die einzige Frau. Warum ist das Geschlechterverhältnis so, wie es ist?
Die Pandemie hat da sicher auch nicht zur Gleichstellung von Mann und Frau beigetragen, war also ein Schritt weg von der richtigen Richtung. Ich kann mir im Lichte all dessen gut vorstellen, dass wir Frauen uns so einen Schritt fünfmal überlegen, wir sind da wohl etwas reflektierter.
"Manche vertauschen die Bestellung mit Wahlkampf"
KURIER: Herr Weißmann, Alexander Wrabetz wirft Ihnen vor, dass Sie keine Erfahrung in Unternehmensführung hätten und Ihr Konzept vom Strategiepapier 2025 abgeschrieben sei. Lief bei Ihrer Bewerbung alles korrekt?
Roland Weißmann: Man sollte nicht vergessen, dass es um die Bestellung einer Vorstandsposition geht. Manche verwechseln das mit einem Wahlkampf. Der Generaldirektor selbst hat mir vor mehr als zehn Jahren die gesamte Prokura für den ORF erteilt. Ich stehe im Firmenbuch, und ich bin zusätzlich Geschäftsführer einer ORF-Tochter. Viel wichtiger ist, dass der Stiftungsrat darüber entscheidet, wer zu einem Hearing eingeladen wird. Sowohl ich, als auch andere Mitbewerber erfüllen die Kriterien und sind zum Hearing eingeladen worden. Also, es ist alles korrekt.
Verfassungsexperte Heinz Mayer meint, wenn ein Stiftungsrat nicht den Besten wählt, kann er zur Verantwortung gezogen werden. Befürchten Sie, sollten Sie zum Generaldirektor ernannt werden, ein Fall für den Staatsanwalt werden?
Das weise ich ganz entschieden zurück. Meine Bewerbung wurde geprüft.
Sie gelten als der Favorit des Kanzleramts. Wrabetz sagt, mit Ihnen wird der ORF eingefärbt. Sind Sie der türkise Soldat?
Nein, das bin ich ganz klar nicht. Ich bin nicht der Kandidat einer Partei, sondern Kandidat für eine Geschäftsführungsposition. Interventionsversuche hat es immer gegeben und wird es wieder geben. Je nach Fall muss man sich das anschauen. Es kann auch mal eine Intervention geben, weil ein Fehler passiert ist. Im Sinne einer positiven Fehlerkultur wird man darauf reagieren. Aber politische Interventionen machen bei mir keinen Sinn. Ich sehe die Geschäftsführung und mich als Schutzschild für den ORF.
Derzeit wird kritisiert, dass die Stiftungsräte in einer öffentlichen Wahl den neuen Generaldirektor küren. Würden Sie sich für eine Änderung, nämlich für eine geheime Wahl einsetzen?
Die nicht geheime, offene Wahl gibt es seit 2001, und es hat einige Male gut funktioniert. Wenn man das jetzt plötzlich als Problem sieht, kann man das aber gerne diskutieren und ändern. Ich bin optimistisch, dass ich auch bei einer geheimen Abstimmung gewinnen könnte.
Kommentare