ORF-Wahl: Juristischer Streit im Wasserglas

Wird es für Alexander Wrabetz  im ORF finster oder spielt er die Lichtorgel? Am 10. August entscheidet der ORF-Stiftungsrat
Offene Abstimmung über ORF-Chef steht in der Kritik. Laut Zivilrechtler Schauer aber "der Regelfall" aus Haftungsgründen.

Drei Mal wurde Jurist Alexander Wrabetz bereits in offener Abstimmung zum ORF-Generaldirektor gekürt. Jetzt, wo es sich beim vierten Mal gewaltig spießt, wird das Bestellungsprozedere hinterfragt. Verfassungsrechtler Heinz Mayer meinte nun in der Presse: "Ich kenne keinen Verein, in dem der Vorstand in offener Wahl bestimmt wird." Das Vorgehen jetzt sei „völlig unerträglich“. Mayer sieht auch Haftungfragen, „wenn der Beste übergangen wird.“

Allein, der ORF ist kein Verein.

"Für den ORF ist die Aktiengesellschaft das Referenzmodell, insbesondere hat der Stiftungsrat ähnliche Funktionen wie der Aufsichtsrat, es wird im ORF-Gesetz sogar auf entsprechende Aufsichtsratsbestimmungen im Aktiengesetz verwiesen", erklärt Martin Schauer, Vorstand für Zivilrecht am Juridicum Wien. Im Aktiengesetz sei nicht explizit ausgeführt, wie die Stimmabgabe zu erfolgen habe. "Die vorherrschende Meinung in der Fachliteratur besagt, dass die offene Abstimmung der Regelfall ist." Da sie überdies im ORF-Gesetz explizit festgelegt ist, komme auch keine andere Form in Betracht.

Kennzeichnung von Stimmen

Ein geheimes Votum wären zulässig - aber nur, "sofern die Überprüfbarkeit der Stimmabgabe zum Beispiel durch Kennzeichnung der Stimmzettel gewährleistet ist“, zitiert Schauer den "Kommentar zum Aktiengesetz". Der Grund ist die persönliche Haftung des Aufsichtsrates, wie sie auch für den Stiftungsrat besteht. "Eine geheime Abstimmung könnte missbraucht werden, damit sich die Abstimmenden ihrer persönlichen Verantwortung für ihre Stimmabgabe und in der Folge einer möglichen zivilrechtlichen Haftung entziehen."

Dass die Wahl des einen oder anderen Kandidaten Haftungsfragen auslösen könnte, sieht Schauer nicht. "Aus gesellschaftssrechtlicher Sicht kommt da die Business Judgement Rule zum Tragen. Das ist eine geschäftspolitische Entscheidung, die in einen haftungsfreien Ermessensspielraum fällt. Mayr scheint zu postulieren, dass es nur eine einzige richtige Entscheidung gibt und wenn man die nicht trifft, dann haftet man dafür – das ist vor dem Hintergrund der Business Judgement Rule nicht richtig", sagt Schauer zum KURIER.

Augenlicht der Kinder

Geheime Wahlen, die 2001 von der ÖVP-FPÖ-Koalition abgeschafft wurden, machten in der Vergangenheit Ergebnisse tatsächlich unvorhersehbar, sorgten aber auch für ungute Spekulationen bis hin zum Stimmenkauf. Grobe Nebengeräusche gab es jedenfalls immer. Ein bekanntes Beispiel: Gerd Bacher zog  1978 die SPÖ-Betriebsräte auf seine Seite. "So einfach geht das, wenn sich Betriebsräte ihren Chef selber wählen dürfen", meinte später der frühere ORF-Generalintendant Thaddäus Podgorski. SPÖ-Zentralsekretär und -Kurator Karl Blecha ließ sogar einzelne Kuratoren auf das "Augenlicht" ihrer Kinder schwören, dass sie Bacher nicht unterstützt hatten.

Als nicht sattelfest erwiesen hatte sich ORF-Chef Wrabetz am Mittwochabend. Da hatte er beim Fellner-TV seinen härtesten Konkurrenten Roland Weißmann als "ordentlichen Abteilungsleiter" ohne Erfahrung in der Unternehmensführung diskreditiert, womit dieser nicht die Ausschreibungskriterien erfüllen würde. Tatsächlich ist Weißmann von Wrabetz 2020 zum Geschäftsführer der ORF On bestellt worden und als Chefproducer Herr über mehr als 300 Millionen jährlich an TV-Budget.

Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal meinte im KURIER zudem über die Ausschreibung, die seit zwei Jahrzehnten gleich ist: "Das ist so elastisch ausgelegt, da muss man kein Großunternehmen geführt haben." Da könne jeder, der zum Beispiel fünf Jahre Journalist war oder Führungserfahrung vorweisen könne, ORF-General oder -Generalin werden. Die Ausschreibung sei "völlig schwammig".

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